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Die Darstellung eines A ohne Querbalken ist schutzfähig und der Eintrag war nicht missbräuchlich

Die Darstellung eines A ohne Querbalken ist schutzfähig und der Eintrag war nicht missbräuchlich

Rechtsprechung
Markenrecht

Die Darstellung eines A ohne Querbalken ist schutzfähig und der Eintrag war nicht missbräuchlich

4A_227/2022 v. 8.9.2022

I. Ausgangslage (zusammengefasst)

Die B.__ AG ist Inhaberin der Marke Nr. 728’755

für diverse Produkte.

Am 3. Februar 2021 hatte die englische A.__Ltd gegen die B.__AG vor dem Handelsgericht des Kantons Bern auf Nichtigkeit des obigen Zeichens geklagt, offenbar mit der Begründung, das Zeichen gehöre zum Bereich des Gemeingutes. Mit Urteil vom 7. Februar 2022 wies das fragliche Gericht die Klage ab, weil die angefochtene Marke nicht zum Gemeingut zähle. Gegen dieses Urteil erhob die A.__Ltd Beschwerde in Zivilsachen vor BGer. 

Der fragliche Streit stand im Zusammenhang mit einer Absicht der A.__Ltd, mit dem Zeichen

Geländewagen in der Schweiz (Klasse 12) zu bewerben, wobei die B.__AG gegen dieses Zeichen Widerspruch erhoben hatte.

Im Verfahren war auch die Frage einer missbräuchlichen Markeneintragung zu behandeln.

Abweisung der Beschwerde

Vorbemerkung: Im bundesgerichtlichen Verfahren hatte die Beschwerdeführerin einen Löschungsentscheid des EUIPO betreffend das strittige Zeichen nachgereicht, auf welchen das BGer jedoch nicht eintrat, weil es sich um ein Novum handle. Da allgemein-verfahrensrechtlicher Natur, geht die untenstehende Zusammenfassung nicht auf dieses Thema ein.

II. Erwägungen unter dem Aspekt der Unterscheidungskraft (Auszug / teilweise mit wörtlicher Wiedergabe)

1. Grundsätzliches:

a) Gemäss Art. 2 Bst. a MSchG ist der Markenschutz ausgeschlossen für Zeichen, welche – aus dem Blickwinkel der massgebenden Verkehrskreise in Bezug auf die beanspruchten Produkte – zum Gemeingut gehören; vorbehalten ist eine allfällige Verkehrsdurchsetzung für die beanspruchten Produkte. (E. 2.1.1 Abs. 1 erster Satz)

b) Zum Gemeingut gehören (i) Zeichen, welchen die nötige Unterscheidungskraft fehlt oder (ii) freihaltebedürftige Zeichen. Dabei können sich zwischen diesen Kategorien Überschneidungen ergeben. (E. 2.1.1 Abs. 1 zweiter Satz sinngemäss)

c) Die nötige Unterscheidungskraft fehlt bei Zeichen, welche aufgrund ihres Erscheinungsbildes oder wegen beschreibenden Gehalts die markenspezifische Unterscheidungsfunktion nicht erfüllen bzw. die es dem Verbraucher (Stichwort: massgebende Verkehrskreise) nicht erlauben, die beanspruchten Produkte von denen im allgemeinen Angebot gleichartiger Produkte zu unterscheiden. (E. 2.1.1 Abs. 2)

d) Die Prüfung der allfälligen Zugehörigkeit zum Gemeingut (vgl. Bst. b hievor) erfolgt ausschliesslich aufgrund des Registereintrags oder der betroffenen Anmeldung. (E. 2.1.3 a.A.)

e) Ein Freihaltebedürfnis (vgl. dazu Bst. b/ii hievor) ist gegeben bezüglich Zeichen, auf deren Verwendung der Wirtschaftsverkehr bzw. die massgebenden Verkehrskreise  – in Bezug auf die konkret betroffenen Produkte – angewiesen sind. Dazu gehören zumindest teilweise elementare Zeichen wie einzelne Buchstaben, Zahlen, geometrische Grundelemente oder allgemein-übliche Symbole (z.B. die mathematischen Grundzeichen, Satzzeichen oder Musiknoten). Gleichzeitig spricht eine offensichtliche Banalität des Zeichens nicht bereits für ein Freihaltebedürfnis. (E. 2.1.1 Abs. 3 sowie Abs. 4 sinngemäss)

f) Unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles kann bei elementaren Zeichen ein absolutes, durch keine Verkehrsdurchsetzung zu beeinträchtigendes Freihaltebedürfnis bestehen. (E. 2.2.1 Abs. 4 Mitte)

g) Als massgebende Verkehrskreise (vgl. Bst. a hievor) erweisen sich (i) bezüglich Unterscheidungskraft die durchschnittlichen Abnehmer mit ihrem Verständnis und (ii) hinsichtlich des Freihaltebedürfnisses die Konkurrenten mit ihrem Verständnis. (E. 2.1.2)

2. Subsumtion:

  • Das fragliche Zeichen ist allein aufgrund seiner konkreten Ausgestaltung gemäss Registereintrag zu beurteilen. Dabei sprechen die detaillierten Ausführungen sowohl der Vorinstanz als auch des BGer gegen eine Verletzung von Art. 2 Bst. a MSchG, wobei folgende Argumente im Vordergrund stehen:
    • Das Zeichen lässt sich weder als Einzelbuchstabe des lateinischen Alphabets (A oder spiegelverkehrt Y) noch als Interpunktions- oder anderes Trivialzeichen aus Sprache, Schrift oder Kommunikation (das Urteil nennt diverse Beispiele) verstehen. (E. 2.2.1 Abs. 1 und 2 i.V.m. E. 2.2.3)
    • Die Marke kann auch nicht als Pfeilzeichen betrachtet werden; denn der obere Teil ist abgeflacht und kommt demnach nicht als Pfeilspitze in Frage. (E. 2.2.2 Abs. 2 sinngemäss)
    • Zwar entspricht das Zeichen dem griechischen Grossbuchstaben Lambda. Diese Bedeutung ist jedoch nicht allgemein bekannt und kann daher nicht als Elementarzeichen dem Gemeingut zugerechnet werden. (E. 2.2.2 Abs. 1)
  • Obschon das Zeichen äusserst einfach gehalten ist, kann es durchaus als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen und damit als Kennzeichen wirken. (E. 2.2.4)

III. Erwägungen unter dem Aspekt des missbräuchlichen Markenerwerbs (Auszug / teilweise mit wörtlicher Wiedergabe)

1. Grundsätzliches:

a) Der Markenschutz setzt eine Gebrauchsabsicht voraus. Eine solche Absicht fehlt – mit der Folge der Nichtigkeit des Zeichens –, wenn die Registrierung (i) die Eintragung entsprechender Zeichen durch Dritte verhindern soll (Stichwort: Defensivmarke), (ii) den Schutzumfang eines tatsächlich gebrauchten Zeichens vergrössern soll oder (iii) zu Lasten des bisherigen Benutzers finanzielle oder andere Vorteile erlangt werden sollen. (E. 3.1 Abs. 1 erster Teil)

b) Die genannten Folgen treten ungeachtet der Benutzungs-Schonfrist ein. (E. 3.1 Abs. 1 a.E.)

c) Die Anmeldung eines breit gefassten Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses spricht nicht zwingend für eine Defensivmarke; denn es ist ein berechtigtes Anliegen von Markeninhabern, sich im Zeitraum der Anmeldung einen gewissen Spielraum offenzuhalten, (i) für eine spätere konkrete Zeichenverwendung oder (ii) für spätere Unternehmens-Entwicklungen. (E. 3.2.2 Abs. 1)

d) Die Partei, welcher die fehlende Gebrauchsabsicht vorgeworfen wird, hat die Gründe für die Markeneintragung darzulegen oder im Falle von Ungereimtheiten zumindest glaubhaft zu machen, dass die Eintragung einer auf Fairness beruhenden Markenstrategie beruht. (E. 3.1 Abs. 2)

2. Subsumtion:

Die Rüge eines zu umfangreichen Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses durch die Beschwerdeführerin geht (u.a.) aus folgenden Gründen fehl:

  • In Bezug auf einen Teil der beanspruchten Produkte war die Gebrauchsabsicht unbestritten. (E. 3.2.2 Abs. 2 a.E.)
  • Das Zeichen steht in Verbindung mit vielseitig verwendbaren polymer-basierten Produkten der Beschwerdegegnerin. (E. 3.2.2 Abs. 2 zweiter Teil)
  • Mit Blick auf die Produkte der Klasse 12 («Fahrzeuge», für welche sich die Beschwerdeführerin selber interessiert) argumentierte die Vorinstanz u.a. zu recht, der Konzern, zu welchem die Beschwerdegegnerin gehört, habe Pläne in den Bereichen Antriebskonzepte, neue Mobilitätsansätze sowie Leichtbau verfolgt, was für eine Gebrauchsabsicht innerhalb der Konzernstrukturen spreche. Dabei hat die Beschwerdeführerin keine hinreichende Begründung gegen diese Auffassung geliefert. (E. 3.2.1 sinngemäss)

III. Fazit

Das dem Grossbuchstaben A, jedoch ohne Querbalken und mit abgeflachter Spitze entsprechende Zeichen entfaltet in Bezug auf die (breit gefächerten) beanspruchten Produkte die nötige Unterscheidungskraft bzw. gehört insoweit nicht zum Gemeingut, zumal auch kein Freihaltebedürfnis besteht. Schliesslich geht auch der Einwand fehl, bei diesem Zeichen handle es sich um einen Fall des missbräuchlichen Markenerwerbs.

iusNet IP 19.02.2023