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Die Widerspruchsmarke «QUANTEX» setzt sich gegenüber «Quantedge (fig.)» durch

Die Widerspruchsmarke «QUANTEX» setzt sich gegenüber «Quantedge (fig.)» durch

Rechtsprechung
Markenrecht

Die Widerspruchsmarke «QUANTEX» setzt sich gegenüber «Quantedge (fig.)» durch

B-1269/2020 v. 25.5.2021

I. Ausgangslage (zusammengefasst / teilweise mit wörtlichem Zitat)

Die Quantedge Capital Pte. Ltd., Singapur, ist Inhaberin der internationalen Wort-/Bildmarke Nr. 1'296'619 «Quantedge (fig.)», welche am 28. April 2016 aufgrund einer Basiseintragung in Singapur mit Prioritätsdatum vom 9. März 2015 in der Gazette OMPI des marques internationales Nr. 2016/16 publiziert wurde. Sie präsentiert sich wie folgt

und beansprucht u.a. Schutz für die Schweiz mit Bezug auf diverse Finanzdienstleistungen der Klasse 36. Gegen dieses Zeichen erhob die schweizerische Quantex AG am 19. Juli 2016 Widerspruch unter Berufung auf ihre ältere Schweizer Wortmarke Nr. 566'528 «QUANTEX», welche ebenfalls diverse Finanzdienstleistungen der Klasse 36 beansprucht. Am 25. Juni 2018 wies das IGE den Widerspruch mangels rechtserhaltenden Gebrauchs der Widerspruchsmarke ab, jedoch wies das BVGer den Fall auf Beschwerde der Quantex AG hin an das IGE zurück, zwecks umfassender Prüfung von rechtserhaltendem Gebrauch sowie Verwechslungsgefahr. Mit erneuter Verfügung vom 29. Januar 2020 bejahte das IGE sodann zwar einen rechtserhaltenden Gebrauch der Widerspruchsmarke, wies den Widerspruch jedoch wegen fehlender Verwechslungsgefahr wiederum ab; dies im Wesentlichen mit folgender Begründung: Das Zeichenelement «Quant» habe sich in Verbindung mit Anlagefonds zu einer Sachbezeichnung entwickelt, weshalb der Schutzbereich der Widerspruchsmarke reduziert sei, und die alleinige Übereinstimmung der beiden Zeichen im nur schwachen Element «Quant» führt nicht zu einer Verwechslungsgefahr, zumal das zusätzliche Element «-edge» dem angefochtenen Zeichen einen unterschiedlichen Sinngehalt verleihe. Gegen diesen Entscheid erhob die Quantex AG am 2. März 2020 Beschwerde beim BVGer.

Gutheissung der Beschwerde

II. Erwägungen unter dem Aspekt der Verwechslungsgefahr (Auszug)

1. Grundsätzliches:

a) Gemäss Art. 3 Abs. 1 Bst. c MschG i.V.m. Art. 31 Abs. 1 MSchG ist im Widerspruchsverfahrfen der Schutz einer jüngeren Marke im Verhältnis zu einer älteren ausgeschlossen, wenn aufgrund ihrer Zeichenähnlichkeit sowie Produktegleichheit oder -ähnlichkeit (gemäss Markeneintragungen) eine Verwechslungsgefahr besteht, wobei in dieser Hinsicht auch die Kennzeichnungskraft bzw. der Schutzumfang des älteren Zeichens zu berücksichtigen ist. (E. 2.1 i.V.m. E. 2.2 sowie E. 2.5 a.A.)

b) Produkteähnlichkeit liegt vor, wenn die massgebenden Verkehrskreise auf den Gedanken kommen können, die betroffenen Produkte stammten angesichts ihrer üblichen Herstellungs- und Vertriebsstätten aus dem gleichen oder unter Kontrolle eines gemeinsamen Markeninhabers stehenden Unternehmen. (E. 2.3 erster Teil)

c) Für eine Produkteähnlichkeit sprechen: einheitliche Wertschöpfungskette, gleicher Verwendungszweck, ähnliches fabrikationsspezifisches Know-how, Substituierbarkeit, Verhältnis von Hauptware und Zubehör sowie marktübliche Verknüpfungen oder enge Zusammengehörigkeit mit gleichen Abnehmerkreisen und Vertriebsstätten. (E. 2.3 zweiter Teil)

d) Die Zeichenähnlichkeit beurteilt sich aufgrund des Gesamteindrucks, den die im Widerspruchsverfahren aufgrund ihres Registereintrags zu vergleichende Marken bei den massgebenden Verkehrskreisen hinterlassen. (E. 2.4 erster Teil)

e) Bei Wortmarken sind Wortklang, Schriftbild und gegebenenfalls Sinngehalt zu beachten. Dabei genügt i.d.R. die Übereinstimmung in einem dieser Kriterien für die Annahme einer Zeichenähnlichkeit. (E. 2.4 zweiter Teil)

f) Die Kennzeichnungskraft eines Widerspruchszeichens (vgl. dazu Bst. a hievor) ist bei schwachen Marken kleiner als bei starken, die aufgrund ihres fantasievollen Gehalts auffallen oder dank intensiven Gebrauchs eine überdurchschnittliche Bekanntheit geniessen (Stichwort: Markenbenutzung). (E. 2.5 Mitte)

g) Als (ursprünglich) schwach gelten Zeichen, deren wesentliche Elemente gemeinfrei sind oder sich eng an gemeinfreie Bestandteile, d.h. insbes. Elemente mit beschreibendem Gehalt anlehnen. In solchen Fällen genügen bereits kleine Abweichungen der zu vergleichenden Marke, um eine hinreichende Unterscheidungskraft derselben zu bejahen. (E. 2.5 zweiter Teil)

h) Ein intensiver Markengebrauch führt zu einer erhöhten Kennzeichnungskraft, d.h. wenn Belege z.B. bezüglich Umsatzzahlen oder Werbeausgaben einen langjährigen Gebrauch in der Schweiz sowie intensive Werbung glaubhaft machen. (E. 2.6)

2. Subsumtion:

  • Die massgebenden Verkehrskreise setzen sich sowohl aus Fachkreisen als auch aus finanzinteressiertem Publikum zusammen, wobei sie eine erhöhte Aufmerksamkeit an den Tag legen. (E. 3.2)
  • Mit der Vorinstanz ist bezüglich der fraglichen Produkte eine Identität oder zumindest erhebliche Produkteähnlichkeit zu bejahen. (E. 4)
  • Zur Frage der Zeichenähnlichkeit gelangt das Gericht insbes. zu folgenden Schlüssen:

Aufgrund der Übereinstimmung im Zeichenbeginn «Quant» besteht in phonetischer sowie schriftbildlicher Hinsicht eine evidente Zeichenähnlichkeit. (E. 5.2)

Auch im Sinngehalt («Quant» insbes. als Fachbegriff für komplexe mathematische Anlageberechnungen besteht aufgrund der beidseitigen Verwendung des Begriffs «Quant» eine relevante Zeichenähnlichkeit. (E. 5.3 – insbes. E. 5.5 Abs 1 i.V.m. Abs. 3)

  • Die originäre Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist als lediglich schwach und daher ihr Schutzumfang als reduziert einzustufen; denn das Wortelement «Quant» - wiederum als Fachbegriff für Anlageberechnungen – wirkt für die fraglichen Produkte beschreibend und die Endung «ex» ergibt in diesem Zusammenhang keinen bestimmten Sinngehalt. (E. 6.2)
  • Eine erhöhte, durch die Bf geltend gemachte (derivative) Kennzeichnungskraft infolge grosser Bekanntheit bzw. intensiven Gebrauchs des Widerspruchszeichens wird durch die Bf aufgrund der eingereichten Beweismittel nicht glaubhaft gemacht; denn es fehlen genaue Angaben über die Verbreitung des Zeichens im Publikum. (E. 6.3)
  • Schliesslich bejaht das Gericht in einer Gesamtbetrachtung eine Verwechslungsgefahr: Dies abgesehen von Produkte- sowie Zeichenähnlichkeit letztlich auch darum, weil das Zusatzelement «edge» im jüngeren Zeichen mit der im Zusammenhang mit Finanzprodukten beim Publikum ohne besonderen Gedankenaufwand entstehenden Assoziation zu «Hedge Fund» keinen abweichenden Gesamteindruck zu «Quantex» und auch keine eigene Individualität des jüngeren Zeichens schafft. (E. 7)

III. Fazit

Das BVGer bejaht entgegen der Vorinstanz eine relevante Verwechslungsgefahr. Dies einerseits aufgrund der gegebenen Produkteidentität oder -gleichheit sowie der Übernahme des Zeichenelementes «Quant» sowie insbes. auch des Fehlens einer eigenständigen Bedeutung der Endung «edge» im angefochtenen Zeichen, da dieselbe in Verbindung mit «Quant» keine eigene Bedeutung entfalte, sondern auf den Finanzfachbegriff «Hedge Fund» hinweise.

iusNet IP 27.06.2021