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Nichtigerklärung der 3D Unionsmarke «Rubik’s Cube»

Nichtigerklärung der 3D Unionsmarke «Rubik’s Cube»

Kommentierung
Markenrecht

Nichtigerklärung der 3D Unionsmarke «Rubik’s Cube»

Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union vom 24. Oktober 2019 in der Rechtssache T-601/17

I. Ausgangslage

Die Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union vom 24. Oktober 2019 in der Rechtssache T-601/17 (Rubik's Brand Ltd/EUIPO) ist eine Folge der juristischen Saga, die von Seven Towns gegen Simba Toys im Jahr 2006 eingeleitet wurde.

Seven Towns beantragte damals bei der EUIPO die Löschung der im Jahre 1999 eingetragenen dreidimensionalen Marke der Firma Simba Toys (in der Zwischenzeit wurde diese Marke an Rubik’s Brand Ltd übertragen) mit der Begründung, dass sie eine technische Lösung - ihre Rotationsfähigkeit - enthalte, die nur durch das Patent geschützt werden könne. Nachdem die EUIPO seinen Antrag abgelehnt hatte, erhob Simba Toys Beschwerde beim Gericht der Europäischen Union (EuG) und anschliessend beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH).

Mit Urteil vom 10. November 2016 (C-30/15 P), hatte der EuGH sowohl die Entscheidung der EUIPO als auch das Urteil des EuG aufgehoben. In Anbetracht der konkreten und nicht abstrakten Form war der EuGH insbesondere der Ansicht, dass diese beiden Behörden die technische Funktion des Produkts - d.h. ein dreidimensionales Puzzle – hätten definieren und bei der Beurteilung der Funktionalität der wesentlichen Merkmale des Zeichens  berücksichtigen müssen. Der EuGH stellte weiter fest, dass die Vorinstanzen die schwarzen Linien und ganz allgemein die Gitterstruktur auf jeder Seite des betreffenden Würfels hätten in Betracht ziehen müssen.

Mit Entscheidung vom 19. Juni 2017 hat das EUIPO (R 452/2017-1) den Schlussfolgerungen des EuGH Rechnung getragen. Das EUIPO hat daher die angefochtene Marke für ungültig erklärt, da die wesentlichen Merkmale der umstrittenen kubischen Form erforderlich seien, um eine technische Wirkung zu erreichen.

Mit Beschwerde vom 19. Juni 2017 hat Rubik’s Brand Ltd die Entscheidung des EUIPO angefochten. Sie argumentierte insbesondere, dass das EUIPO die wesentlichen Merkmale der angefochtenen Marke nicht korrekt identifiziert habe. In einem zweiten Schritt machte sie geltend, dass das EUIPO die technische Wirkung, für welche die betroffene Ware bestimmt ist, zu eng ausgelegt sowie definiert und dass es die Funktionalität der festgestellten wesentlichen Merkmale falsch bewertet habe. Die Beschwerde wurde abgewiesen.

II. Erwägungen des Gerichtes der Europäischen Union

Das EuG stellte zunächst fest, dass die Vorinstanz die wesentlichen Merkmale der angefochtenen Marke korrekt festgestellt hatte. Es kam auch zu dem Schluss, dass die wesentlichen Merkmale der angefochtenen Marke sich auf die Gesamtform des Würfels einerseits und auf die schwarzen Linien und kleinen Quadrate auf beiden Seiten des Würfels andererseits beschränken. Es stellte ferner fest, dass diese Merkmale die konstituierenden Elemente der Form selbst darstellen, d.h. die Elemente, die selbst dreidimensionaler Natur sind oder welche die Konturen der dreidimensionalen Form definieren, im Gegensatz zu allen anderen Merkmalen der angefochtenen Marke (vgl. mit dem Urteil vom 12. Juni 2018, Louboutin und Christian Louboutin, C-163/16, EU:C:2018:423, N 21-22). (N 54 bis 70)

Das EuG bestätigte daraufhin die Definition der technischen Wirkung, welche durch die Vorinstanz formuliert wurde. Das EuG stellte fest, dass das fragliche Zeichen den Aspekt der konkreten Ware (in diesem Fall das dreidimensionale Puzzle bekannt als "Rubik's Cube") darstellt, für welche die Eintragung beantragt wurde. Es vermerkte, dass es sich bei dieser Ware um ein Spiel handelt, dessen Zweck es ist, ein dreidimensionales, würfelförmiges Farb- Puzzle durch Zusammensetzen von sechs unterschiedlich farbigen Flächen wiederherzustellen. Von daher war es richtig, die technische Wirkung als Reihen kleinerer Würfel unterschiedlicher Farben zu definieren, die um eine Achse drehen - vertikal und horizontal - bis die neun Quadrate auf jeder Seite des Würfels die gleiche Farbe haben. (N 72 bis 83)

Darüber hinaus stellte das EuG wie die Vorinstanz fest, dass die wesentliche Merkmale der schwarzen Linien (die sich horizontal und vertikal auf jeder Seite des Würfels schneiden und jede Seite in neun kleine Würfel gleicher Grösse teilen, die auf Reihen von drei mal drei verteilt sind) erforderlich sind, um das gewünschte technische Ergebnis zu erreichen; dies ohne Rücksicht auf die unterschiedlichen Farben auf den sechs Seiten des Würfels. Nach Auffassung des EuG ist eine solche physische Trennung erforderlich, um die verschiedenen Reihen von kleinen Würfeln zu drehen. Ohne eine solche physische Trennung wäre der Würfel nichts anderes als ein fester Block ohne einzelne Elemente, die unabhängig voneinander bewegt werden könnten. Bei der Analyse der Funktionalität der wesentlichen Merkmale eines Zeichens stellte das EuG des Weiteren fest, dass es möglich ist, zusätzliche Elemente in Bezug auf die Funktion der betreffenden konkreten Ware zu berücksichtigen, auch wenn es sich um unsichtbare Elemente handelt. (N 84 bis 97)

Schliesslich entschied das Gericht, dass die wesentlichen Merkmale der angefochtenen Marke (nämlich die Gesamtform des Würfels einerseits und die schwarzen Linien und kleinen Quadrate auf beiden Seiten des Würfels andererseits) erforderlich waren, um die von der betreffenden konkreten Ware angestrebte technische Wirkung zu erreichen. In diesem Zusammenhang war es der Ansicht, dass das Argument, dass es andere alternative geometrische Formen gibt, die das gleiche Ergebnis erreichen liessen, nicht relevant war. Das Gericht kam daher zu dem Schluss, dass die streitige Marke im Widerspruch zu Art. 7 Absatz 1 Buchstabe e) Ziffer ii) der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (jetzt Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke) stand. (N 98 bis 100)

III. Anmerkungen zum Entscheid

In diesem Fall prüfte das EuG, ob die 3D Unionsmarke «Rubik’s Cube» dem absoluten Eintragungshindernis gemäss Art. 7 Absatz 1 Buchstabe e) Ziffer ii) der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (jetzt Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke) unterlag. Nach Feststellung, dass die wesentliche Merkmale der angefochtenen Marke (nämlich die Gesamtform des Würfels einerseits und die schwarzen Linien und kleinen Quadrate auf beiden Seiten des Würfels andererseits) erforderlich waren, um die von der betreffenden konkreten Ware angestrebte technische Wirkung zu erreichen, hat das EuG die Nichtigkeit der 3D Unionsmarke «Rubik’s Cube» bestätigt.

Im schweizerischen Recht entspricht Art. 7 Absatz 1 Buchstabe e) Ziffer ii) der Verordnung über die Unionsmarke dem Art. 2 lit. b des Markenschutzgesetzes (MSchG). Vom Markenschutz absolut ausgeschlossen sind nach der letztgenannten Bestimmung insbesondere die Formen der Ware oder Verpackung, die technisch notwendig sind. Diese beiden Bestimmungen sind vergleichbar und verfolgen das gleiche Ziel: es soll verhindert werden, dass das Markenrecht einem Unternehmen ein Monopol auf technische Wirkungen oder wesentliche Merkmale einer Ware verleiht, das durch ein Patent geschützt werden könnte. Wenn die Form einer Ware lediglich die vom Hersteller dieser Ware entwickelte und auf seinen Antrag hin patentierte technische Lösung beinhaltet, würde der Schutz dieser Form als Marke nach Ablauf des Patents die Möglichkeit für andere Unternehmen, diese technische Lösung zu nutzen, erheblich und dauerhaft einschränken.

Es gibt jedoch einen Unterschied zwischen dem Schweizer Recht und dem Gemeinschaftsrecht bei der Feststellung, ob die Registrierung der Form einer Ware die Konkurrenten behindern würde, bzw. ob die Form einer Ware technisch erforderlich («notwendig» gemäss MSchG) ist. Nach schweizerischem Recht ist eine Form technisch notwendig, wenn sie der einzigen Möglichkeit zur Herstellung eines Produktes entspricht. Es liegt auch eine technisch erforderliche Form vor, wenn es für die Konkurrenten eine andere zumutbare Gestaltungsalternative gibt. Die Ausführung dieser Gestaltungsalternative soll aber nicht weniger praktisch, weniger belastbar/solide oder teurer sein; in einer solchen Situation kann von den Konkurrenten nicht erwartet werden, dass sie die naheliegendste und geeignetste Form aufgeben1. Nach dem Gemeinschaftsrecht ist es demgegenüber irrelevant, ob es andere Formen gibt, die das gleiche technische Ergebnis erreichen lassen2. Die Schweizer Praxis ist daher restriktiver. Wir können uns berechtigterweise die Frage nach der Relevanz dieser Praxis stellen.Wie der EuGH schon festgestellt hat, ermöglicht die Eintragung einer Form als Marke es dem Inhaber dieser Marke, anderen Unternehmen nicht nur die Verwendung der gleichen Form zu verbieten, sondern auch die Verwendung ähnlicher Formen. Eine bedeutende Anzahl alternativer Form kann somit für die Konkurrenten des Inhabers unbrauchbar werden3

Im vorliegenden Fall hat das Gericht zugegeben, dass ein dreidimensionales Puzzle mit Rotationsfähigkeit andere Formen als die eines Würfels annehmen könnte. In Übereinstimmung mit der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsprechung war es jedoch der Ansicht, dass dies nicht relevant war. Wäre dieser Fall vom Bundesgericht zu entscheiden gewesen, ist es zweifelhaft, dass das Ergebnis angesichts der schweizerischen Praxis - bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Gestaltungsalternativen - das Gleiche gewesen wäre.

  • 1. BGE 129 III 514, S. 524 – Lego III; BGE 131 III 121, S. 124 – Smarties; BGer vom 28 Juni 2011, 4A.178/2011, E. 3.2.2 – Nespresso. Siehe auch SHK-NOTH, Art. 2 lit. b MSchG, N 44, S. 223-224; CR-MEIER/FRAEFEL, Art. 2 LPM, N 92, S. 681.
  • 2. Siehe Urteil des EuGH vom 18 juni 2002, Philips, C-299/99, N 81 bis 83 ;Urteil des EuGH vom 14. September 2010, Lego Juris/OHMI, C-48/09 P, N 53 und 58.
  • 3. Urteil des EuGH vom 14. September 2010, Lego Juris/OHMI, C-48/09 P, N 56.
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