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Das Zeichen «LOCKIT» ist für Utensilien, die nicht verschliessbar sind, genügend unterscheidungskräftig und damit markenschutzfähig

Das Zeichen «LOCKIT» ist für Utensilien, die nicht verschliessbar sind, genügend unterscheidungskräftig und damit markenschutzfähig

Jurisprudence
Markenrecht

Das Zeichen «LOCKIT» ist für Utensilien, die nicht verschliessbar sind, genügend unterscheidungskräftig und damit markenschutzfähig

B-1394/2016

I. Ausgangslage (zusammengefasst / teilweise mit wörtlichem Zitat)

Gestützt auf eine internationale Registrierung vom 4. November 2013 wurde die Marke «LOCKIT» der Louis Vuitton Malletier (nachfolgend auch Bf) durch die Organisation mondiale de la propriété intellectuelle am 20. Februar 2014 unter Einbezug der Schweiz für Waren der Klasse 18 notifiziert. Mit Entscheid vom 1. Februar 2016 verweigerte das IGE (indem es aber gleichzeitig die Eintragung für gewisse Waren der Klasse 18 akzeptierte) die Ausdehnung des Markenschutzes für das Zeichen «LOCKIT» auf die Schweiz für die Waren «boîtes en cuir ou imitation; sacs de voyage, trousses de voyage (maroquinerie), malles et valises, sacs-housses de voyage pour vêtements et souliers; coffrets destinés à contenir des articles de toilette dits vanity-cases; sacs à dos, sacs à main; sacs de sport; pochettes (sacs à main de soirée), attachés-cases et porte-documents en cuir; porte-monnaie, porte-cartes (portefeuilles), étuis pour clés (maroquinerie); sacs [recte: sacs pour transporter des animaux]», im Wesentlichen mit der Begründung, der Begriff «Lockit» stelle für diese Waren eine simple Anweisung (zum Verschliessen) dar und sei daher dem Gemeingut zuzuschreiben. Gegen diesen Entscheid erhob die Louis Vuitton Malletier Beschwerde vor BVGer.

Teilweise Gutheissung der Beschwerde.

II. Erwägungen zum Thema des Freihaltungsbedürfnisses (Auszug)

1. Grundsätzliches:

a)     Bei Vorliegen (u.a.) eines sog. Freihaltebedürfnisses ist ein Markenschutz ausgeschlossen. (E. 6)

b)     Die Frage nach dem Freihaltebedürfnis ist unter dem Blickwinkel der Bedürfnisse der Konkurrenten des Markeninhabers zu prüfen. (E. 6.2.1)

c)    Unter diesem Blickwinkel ist ein Freihaltebedürfnis zu bejahen, wenn das betroffene Zeichen für das Wirtschaftsleben unentbehrlich oder zumindest essenziell ist und deshalb nicht durch einen einzelnen Akteur monopolisiert werden darf. (E. 6.2.2)

d)     Wegen Freihaltebedürfnisses (oder fehlender Unterscheidungskraft) zählen zum Gemeingut (vgl. dazu insbes. Ziff. III hienach) banale; allgemein gehaltene oder nur beschreibende Zeichen; Freizeichen sowie Zeichen als Herkunftsangaben. (E. 5.1.2)

2. Subsumtion:

Die Frage nach einem allfälligen Freihaltebedürfnis wird durch das Gericht verneint: Es lägen keine Anzeichen dafür vor, dass das Zeichen für die Konkurrenten der Bf unverzichtbar oder essenziell wäre. (E. 9.2.3.2)

III. Erwägungen zum Thema Gemeingut (Auszug)

1. Grundsätzliches:

a)     Gemäss Art. 2 Bst. a MSchG ist der Markenschutz ausgeschlossen für Zeichen, die (i) Gemeingut sind, sofern sie sich (ii) für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen nicht als Marke durchgesetzt haben (vgl. zur Verkehrsdurchsetzung Ziff. IV hienach). (E. 5)

b)     Als Gemeingut gelten (i) einerseits Zeichen ohne erforderliche Unterscheidungskraft (aus dem Blickwinkel des Publikums) für die Individualisierung der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und (ii) anderseits Zeichen, die für den Wirtschaftsverkehr – weil für diesen unabdingbar oder zumindest wesentlich – freizuhalten sind (vgl. dazu Ziff. II hievor). Dabei ergeben sich häufig Überschneidungen zwischen diesen beiden Kriterien. (E. 5.1.1.1 i.V.m. E. 5.1.1.2).

c)     Mangels Unterscheidungskraft (oder wegen Freihaltebedürfnisses) zählen zum Gemeingut: banale; allgemein gehaltene oder nur beschreibende Zeichen (als beschreibend gelten Hinweise auf Art, Zusammensetzung, Qualität, Quantität, Bestimmung, Verwendungszweck, Wert, Herkunft oder andere charakteristische Eigenschaften der betroffenen Produkte); Freizeichen sowie Zeichen als Herkunftsangaben. (E. 5.1.2 i.V.m. E. 6.1.6.1)

d)    Die Prüfung der Unterscheidungskraft erfolgt auf Basis des Gesamteindrucks der Marke – und dabei mit Blick auf die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen –, welcher sich aus der konkreten Anmeldung ergibt. (E. 6.1.2 i.V.m. E. 6.1.3.1)

e)    Liegt (auch nur) für eines der beanspruchten Produkte innerhalb einer beanspruchten Klasse ein absoluter Ausschlussgrund vor, ist die gesamte betroffene Klasse vom Markenschutz ausgeschlossen. Dabei kann sich der (lediglich) beschreibende Charakter sowohl auf das betroffene Produkt als solches oder auch nur auf eines seiner Elemente beziehen. (E. 6.1.3.2 i.V.m. E. 6.1.6.2)

f)    Die Prüfung der Unterscheidungskraft erfolgt unter dem Blickwinkel des Aufmerksamkeitsgrades der massgebenden Verkehrskreise, an welche sich die Waren oder Dienstleistungen richten. Entscheidend ist dabei der Eindruck (als lediglich beschreibend oder nicht), welchen diese Verkehrskreise mit Blick auf die betroffenen Produkte ohne besondere Denkarbeit und ohne besonderen Fantasieaufwand erhalten. (E. 6.1.1.1; E. 6.1.1.2 und E. 6.1.5 a.E.)

g)    Sind mehrere Verkehrskreise angesprochen, genügt für die Annahme von Gemeingut, wenn nur einer dieser Kreise das Zeichen als (lediglich) beschreibend versteht. (E. 6.1.1.3)

h)    Der betroffene Aufmerksamkeitsgrad (vgl. Bst. f hievor) ist (i) als schwach oder mittelstark anzunehmen, soweit Produkte des täglichen Bedarfs betroffen sind und (ii) als erhöht zu qualifizieren, soweit es um kostspielige oder seltene Produkte geht. Setzen sich die massgebenden Verkehrskreise auch Fachpersonen zusammen, gilt der Aufmerksamkeitsgrad als erhöht. (E. 6.1.1.2)

i)    Eine Wortmarke ist gleichwertig mit Bezug auf alle vier schweizerischen Landessprachen zu prüfen. Dabei ist der (nur) beschreibende Charakter bzw. der Gemeingutcharakter eines Zeichens schon zu bejahen, wenn dieser Charakter eine dieser Sprachregionen betrifft. Zeichen in einer andern als den Landessprachen sind ebenfalls dem Gemeingut zuzurechnen, wenn ein nicht unerheblicher Teil der schweizerischen massgebenden Verkehrskreise sie versteht. Mit Bezug auf die englische Sprache ist anzunehmen, dass weite Kreise des Publikums Basiskenntnisse des Wortschatzes aufweisen; mit Bezug auf Spezialisten sind gute Englischkenntnisse auf ihrem Fachgebiet zu vermuten. (E. 6.1.4.1 i.V.m. E. 6.1.4.2 und E. 6.1.4.3)

2. Subsumtion:

  • Als massgebender Verkehrskreis gilt im vorliegenden Fall das breite Publikum ohne besonders ausgeprägte Aufmerksamkeit, an welches sich die beanspruchten Produkte der Klassen 18 primär richten. (E. 7.2)
  • Das Zeichen «LOCKIT» lässt sich zerlegen in die Elemente «lock» und «it» und wird damit im Verhältnis zu den beanspruchten Transportutensilien durch die massgebenden Verkehrskreise ohne besondere Denkarbeit oder besonderen Fantasieaufwand als Aufruf zum Verschliessen derselben verstanden. Es ist somit grundsätzlich als (lediglich) beschreibend und deshalb dem Gemeingut zugehörend zu qualifizieren. (E. 8 – insbes. E. 9.2.1.1)
  • Entgegen der Vorinstanz ist das Produkt «porte-cartes (portefeuilles)» jedoch differenziert zu beurteilen: Solche Produkte enthalten i.d.R. keine Vorrichtung zum Verschliessen. Entsprechend erweist sich das Zeichen «LOCKIT» diesbezüglich nicht als beschreibend und ist die Beschwerde demzufolge (insoweit) teilweise gutzuheissen. (E. 9.2.3.1 i.V.m. E. 9.2.3.3)

IV. Erwägungen zum Thema Verkehrsdurchsetzung (Auszug)

1. Grundsätzliches

a)     Wie unter Ziff. III/1/a hievor gezeigt, ist die Zugehörigkeit eines Zeichens zum Gemeingut nicht schädlich, wenn es sich im Verkehr als Marke für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen durchgesetzt hat. (vgl. E. 5)

b)     Die Verkehrsdurchsetzung eines Zeichens im Sinne von Art. 2 Bst. a a.E. MSchG ist gegeben, wenn es von einem erheblichen Teil der Adressaten als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen – auch wenn sie dieses nicht namentlich kennen – verstanden wird. (E. 5.2.1)

2. Subsumtion:

Das Gericht gelangt zum Schluss, dass sich die Prüfung einer allfälligen Verkehrsdurchsetzung der zu beurteilenden Marke erübrige, weil die Bf eine solche gemäss ihrer Replik nicht geltend gemacht habe. (E. 9.2.1.2 Abs. 2 i.V.m. E. 10.1.2 und E. 10.2)

V. Erwägungen zum Thema der geltend gemachten Gleichbehandlung (Auszug)

1. Grundsätzliches:

a)     Die Anwendung einer Gleichbehandlung im Unrecht setzt (u.a.) den Bezug zu einer konstanten Praxis voraus, die nach dem Willen der zuständigen Instanzen aufrecht zu erhaltenden ist. (E. 11.1.1)

b)    Gemäss geltender Rechtsprechung erstreckt sich die Zeitspanne der konstanten Praxis im Bereich der Markeneintragungen nicht weiter zurück als acht Jahre, es sei denn, unter Einbezug bereits weiter zurückliegender Marken ergebe sich eine solche Anzahl Fälle, dass dennoch ein weiterer Rückbezug angebracht wäre. (E. 11.3.2.1 i.V.m. E. 11.3.5.3)

c)    Die geltend gemachte Gleichbehandlung im Unrecht, kann sich nicht auf Marken beziehen, welche der Antragsteller auf Gleichbehandlung selber (zu Unrecht, jedoch erfolgreich) hat eintragen lassen. (Stichwort: keine Gleichbehandlung mit sich selber). (E. 11.3.3.1)

2. Subsumtion:

Das Gericht lässt vorliegend keine Gleichbehandlung im Unrecht gelten. Dies hauptsächlich aus folgenden Gründen: Ein Teil der Marken, auf welche die Bf sich beruft, liegt ausserhalb von acht Jahren zurückgerechnet vom 1. Februar 2016; auch kann nicht gesagt werden, unter Einbezug bereits weiter zurückliegender Marken sei ergebe sich eine solche Anzahl, dass dennoch ein weiterer Rückbezug angebracht wäre (vgl. dazu Ziff. 1/b hievor). Weiteren Marken fehlt eine relevante Vergleichbarkeit. (E. 11.3.3.1 – E. 11.3.6)

VI. Fazit

Das Gericht attestiert der Marke «LOCKIT» – entgegen der Auffassung des IGE – die Markenschutzfähigkeit für die Produkte «porte-cartes (portefeuilles)» der Klasse 18 und heisst die Beschwerde insoweit (mithin teilweise) gut. (Auch die Frage nach dem guten Glauben wird im Urteil aufgegriffen; mangels besonders interessierender Ausführungen dazu wird hier jedoch auf eine Zusammenfassung zu diesem Thema verzichtet.)

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