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Vorsorgliche Massnahmen bei Markenverletzung

Vorsorgliche Massnahmen bei Markenverletzung

(Quelle: Matthias Städeli/Fabio Versolatto, §46 Vorsorgliche Massnahmen bei Markenverletzung, in: Willi Fischer/Fabiana Theus Simoni/Dieter Gessler, Kommentierte Musterklagen zum Gesellschaftsrecht und zum Geistigen Eigentum, Zürich/Basel/Genf 2016)

I. Vorbemerkungen

1. Ausgangslage

Die Zeppelin AG mit Sitz in St. Gallen verfügt seit dem Jahr 2000 über mehrere Schweizer Wort- und Wort-/Bildmarken, welche das Element ZEPPELIN enthalten, sei es in Alleinstellung oder in Kombination mit weiteren verbalen oder grafischen Elementen. Die beanspruchten Waren gemäss Register sind Bekleidungsstücke und Schuhwaren in Klasse 25, wobei die Zeppelin AG die Marken im konkreten Zusammenhang mit den genannten Produkten seit über zehn Jahren im schweizerischen Geschäftsverkehr verwendet. Die Markenwaren des Unternehmens, welche über ein grosses Netz von Vertriebspartnern und im ausgewählten Einzelhandel landesweit vertrieben werden, verfügen bei der hiesigen Abnehmerschaft über eine erhöhte Bekanntheit und geniessen zudem einen guten Ruf (Traditionsunternehmen).

Nachdem die Zeppelin AG vor wenigen Wochen Gerüchte über die mögliche Lancierung einer Kollektion von verschiedensten Kleidern und Accessoires unter der Bezeichnung Graf Zeppelin (fig.), d.h. mit zusätzlichen figurativen Elementen, durch eine Konkurrentin im relevanten Produktesegment gehört hatte, wollte sie diesen nachgehen. Es gelang ihr in der Folge, ein Exemplar des erst kürzlich erschienenen Produktekatalogs der Konkurrentin sowie das Promotionsheft für bevorstehende Modenschauen in Zürich, Bern und Basel erhältlich zu machen, deren Ausrichtung auf die Adressierung gewerblicher und nicht-gewerblicher Abnehmer sowie potenzieller Vertriebshändler in der ganzen Schweiz schliessen lassen. Gemäss Produktekatalog der Konkurrentin umfasst das geplante Sortiment namentlich Rucksäcke, Portemonnaies, Taschen, Koffer, Hemden, Hosen, Oberbekleidung, Mäntel, Röcke, Jacken, Schuhe, Hüte, Mützen, Krawatten und Gürtel. Darüber hinaus existiert seit einigen Werktagen auch die rohe Fassung einer aktiven (abrufbaren) Homepage. Die Homepage enthält den Produktekatalog in downloadbarer Form, Werbung für eigene Produkte und die besagten Modenschauen sowie eine Onlineshop-Rubrik samt Vermerk «under construction» bzw. «coming soon». Die Konkurrentin, gemäss Domain-Namen-Abfrage (Whois) Inhaberin der besagten Internetadresse, hat ihren Sitz in Schaffhausen und bezweckt gemäss Handelsregister im Wesentlichen «Design und Produktentwicklung, Herstellung, Einkauf, Beschaffungslogistik, Distribution, Verkauf und Handel mit Waren aller Art, insbesondere mit Bekleidung und Accessoires, sowie damit verbundene Dienstleistungen».

Zeppelin AG möchte sich so schnell wie möglich gegen die geplante Verwendung der Bezeichnung Graf Zeppelin (fig.) für die genannten Waren durch die Konkurrentin in der Schweiz zur Wehr setzen und insbesondere verhindern, dass die Produkte über-haupt auf den hiesigen Markt gelangen, d.h. hier angeboten, vertrieben und beworben werden. Dazu kann sie bei einem zuständigen Zivilgericht in einem ordentlichen Verfahren auf Unterlassung und Beseitigung hinsichtlich des Markengebrauchs (Art. 13 MSchG) wegen Vorliegens relativer Ausschlussgründe (Art. 3 MSchG) klagen, allenfalls verbunden mit einem Auskunftsbegehren (Art. 55 MSchG). Nach Einreichung einer solchen Klage ist in der schweizerischen Praxis trotz den zumeist überschaubaren Sachverhalten im Immaterialgüterrecht bis zum Vorliegen eines (erstinstanzlichen) gerichtlichen Endurteils mit einer Zeitdauer von voraussichtlich einem bis (meist) eineinhalb oder gar zwei Jahren zu rechnen, wenn der Hauptprozess mit Schriftenwechseln und Verhandlungen von den Parteien bis zuletzt streitig ausgetragen wird.

2. Charakterisierung und Bedeutung der vorsorglichen Massnahmen

Das Verfahren um Anordnung vorsorglicher Massnahmen (Art. 261 ff. ZPO) ist ein summarisches (Art. 248 lit. d ZPO), relativ rasches, kontradiktorisches Verfahren vor einem Zivilgericht, welches der Gesuchstellerin einstweiligen (eben «vorsorglichen») Rechtsschutz gewähren soll, bevor ein gerichtliches Endurteil in der Sache vorliegt. Dies vor dem Hintergrund, dass der Rechtsschutz in einem ordentlichen Verfahren bei Fällen mit hoher zeitlicher Dringlichkeit i.d.R. zu spät kommt, um der Gefährdung oder Verletzung zivilrechtlicher Ansprüche der Gesuchstellerin zu begegnen. In der Vermeidung solcher nicht leicht wieder gutzumachenden Nachteile, welche bei vorheriger Durchführung eines vollständigen Hauptverfahrens drohen, liegt der Sinn und Zweck von vorsorglichen Massnahmen, und zwar möglichst ohne den bereits rechtshängigen oder noch anstehenden Hauptprozess zu präjudizieren.

Das Massnahmenverfahren endet im Wesentlichen mit dem Entscheid über den Erlass oder die Nichtgewährung der begehrten Anträge der Gesuchstellerin, wobei dieser Schutz im Falle der Gutheissung, wie das der Name schon sagt, bloss ein vorsorglicher ist. Die durchschnittliche Dauer von vorsorglichen Massnahmen in erster Instanz beträgt i.d.R. sechs Monate bis ein Jahr, was dem entsprechenden Beschleunigungseffekt gegenüber dem ordentlichen Verfahren entspricht.
Der schnelle Rechtsschutz im Sinne einer vorläufigen Durchsetzung von Ansprüchen stellt im Markenrecht ein besonders starkes praktisches Bedürfnis dar, da das Abwarten des Hauptprozesses und die damit verbundene zeitliche Verzögerung zu unwieder-bringlichen finanziellen und reputationsbezogenen Verlusten auf dem Markt führen können, welche sich durch einen allenfalls gutheissenden Entscheid im ordentlichen Prozess nur schwer oder gar nicht (mehr) kompensieren lassen. Zudem ist es für einen Anspruchsteller regelmässig schwierig, die aus der Markenverletzung herrührende Vermögenseinbusse später genügend zu substantiieren und nachzuweisen (z.B. Höhe, Kausalzusammenhang) (SHK MSchG-STAUB, Art. 59 N 1). Daher ist es naheliegend und ratsam, die verletzenden Handlungen bei Kenntnis oder hinreichendem Verdacht von Anfang an (vorsorglich) zu unterbinden, um solche nicht leicht wieder gutzumachende Nachteile (z.B. Marktverwirrung) gar nicht erst aufkommen zu lassen.

3. Zu beachtende Fristen, Kosten, Probleme und Risiken

Vorsorgliche Massnahmen wegen Markenverletzung können bei gegebenen Voraussetzungen sowohl während der Dauer eines rechtshängigen Hauptprozesses, als auch schon im Vorfeld eines solchen eingeleitet werden. Ist die Klage in der Hauptsache zum Zeitpunkt des gutheissenden Massnahmenentscheides noch nicht rechtshängig, so setzt das Gericht der Gesuchstellerin eine Frist zur Einreichung der Klage (sog. «Prosequierung»), und zwar unter der Androhung, dass die angeordnete Massnahme bei ungenutztem Ablauf der Frist ohne Weiteres dahinfällt (Art. 263 ZPO). Als (einmalige) Frist, um den Prozess in der Hauptsache anhängig zu machen, wird in der Praxis regelmässig eine Dauer von sechzig Tagen nach Erhalt des Entscheides angesetzt, zumal die Frist für die bundesrechtliche Beschwerde ans Bundesgericht gegen den kantonalen Massnahmenentscheid noch dreissig Tage beträgt (Art. 100 Abs. 1 BGG).

Erst nach Beendigung des Hauptverfahrens offenbart sich, ob die Anordnung vorsorglicher Massnahmen gerechtfertigt war. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass die vorsorglichen Massnahmen zu Unrecht gewährt worden sind, wird die (somit unterliegende) Gesuchstellerin grundsätzlich verpflichtet, der Gesuchsgegnerin den daraus allenfalls erwachsenen Schaden zu ersetzen (Art. 264 Abs. 2 ZPO). In diesem Zusammenhang kann das Gericht bereits vorgängig die Anordnung vorsorglicher Massnahmen als solche von der Leistung einer angemessenen Sicherheit durch die Gesuchstellerin abhängig machen, wenn ein Schaden für die Gegenpartei zu befürchten ist (Art. 264 Abs. 1 ZPO). Dies kann je nach Fallgrösse, Schädigungspotenzial und der zu erwartenden Prozesskosten für die Massnahme einige zehn- bis hunderttausende Schweizer Franken ausmachen.

Im Hinblick auf die Erfolgschancen für die Gewährung vorsorglicher Massnahmen ist die Voraussetzung der zeitlichen Dringlichkeit ausdrücklich zu erwähnen. Wer nach Kenntnis der Gefährdung oder Verletzung der Markenrechte mit dem Massnahmenge-such zu lange, d.h. i.d.R. über vier bis sechs oder gar mehr Monate zuwartet, riskiert, dass das angerufene Gericht die akute Gefährdungslage und damit das Interesse an einer vorsorglichen Massnahme verneint (Verwirkung). Da in solchen Säumnisfällen davon ausgegangen wird, dass das gerichtliche Endurteil in einem ordentlichen Verfahren von der Gesuchstellerin ohne weiteres abgewartet werden kann, kommt es i.d.R. zu einem Nichteintreten/Abweisung unter entsprechenden Prozesskostenfolgen (Art. 106 Abs. 1 ZPO).

Die Prozesskosten für ein vorsorgliches Massnahmenverfahren sind aufgrund des summarischen Charakters (Art. 248 lit. d ZPO), welcher sich auf Prüfungsmassstab (Kognition) und Verfahrensdauer auswirkt, im Vergleich zu einem ordentlichen Prozess grundsätzlich niedriger, zumal die meisten kantonalen Tarife (Art. 96 ZPO) entsprechende Ermässigungen vorsehen. Nichtsdestotrotz wird von der Gesuchstellerin i.d.R. ein Kostenvorschuss für die voraussichtlichen Gerichtsgebühren für das Massnahmenverfahren verlangt (Art. 98 ZPO). Die Frage der endgültigen Verteilung der Prozesskosten für den einstweiligen Rechtsschutz kann entweder im Entscheid über die Hauptsache (im Sinne eines Vorbehalts) oder mit der vorsorglichen Massnahme entschieden werden (Art. 104 Abs. 3 ZPO). Bei Gutheissung des Massnahmengesuchs ist jedenfalls zu regeln, wer wieviel der Prozesskosten zu tragen hat, wenn die Massnahme zufolge Säumnis der fristgerechten Klageeinreichung hinfällig wird.

II. Klageschrift

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III. Ergänzende Hinweise

1. Vorgängige Abmahnung und Unterlassungsverpflichtung

Im Gegensatz zu gewissen anderen Ländern ist in der Schweiz die vorgängige Abmahnung der Gegenpartei durch die Gesuchstellerin keine Voraussetzung für die Anordnung von vorsorglichen Massnahmen. Ebenso wenig gibt es – unter dem Vorbehalt der Verwirkung (siehe I. Vorbemerkungen, 3. Zu beachtende Fristen, Kosten, Probleme und Risiken, Rz 9) – eine Befristung derselben. Und allfällige negative Konsequenzen bei den Kosten- und Entschädigungsfolgen aufgrund einer ausgebliebenen Verwarnung sind auch eher selten, können aber bei Vergleichsgesprächen dann faktisch mit einfliessen (SHK MSchG-STAUB, Art. 59 N 8; DAVID/FRICK/KUNZ/STUDER/ZIMMERLI, SIWR I/2, Rz 589 f.). Je nach konkreter Situation, strategischen Überlegungen (Taktik), Höhe der Vereitelungsgefahr und Dringlichkeitsgrad kann daher ohne weiteres auf eine Abmahnung verzichtet werden.

Soweit nicht ohnehin superprovisorische Massnahmen (Art. 265 ZPO) ohne Anhörung der Gegenpartei (d.h. sofort) erforderlich sind, kommt es in der Praxis allerdings aufgrund der geschäftlichen Gepflogenheiten in der Schweiz sehr häufig zu einer vorgän-gigen schriftlichen Verwarnung der Gegenpartei, um die Angelegenheit aussergerichtlich im gegenseitigen Einvernehmen zu lösen, es sei denn, das Ganze sei von vornherein unerwünscht, aussichtlos oder unzumutbar. Hinzu kommt der Vorteil, dass eine unbeantwortet gebliebene Abmahnung beim späteren Nachweis der Wiederholungsgefahr (Rechtsschutzinteresse) hilfreich ist und im Hinblick auf mögliche Entschädigungsansprüche eine anfängliche Gutgläubigkeit der Gegenpartei zerstören kann (DAVID/FRICK/KUNZ/STUDER/ZIMMERLI, SIWR I/2, Rz 591).

Eine allfällige schriftliche Unterlassungsverpflichtung der Gegenpartei, welche die Wiederholungsgefahr beseitigen soll, muss nach schweizerischer Praxis unzweideutig und verbindlich sein. Eine besondere Sanktionierung etwa durch eine Konventionalstrafe ist nicht erforderlich. Und obwohl die Empfängerin der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung an sich Anspruch auf die Erstattung der Kosten der rechtlichen Intervention hätte, ist die Geltendmachung vorprozessualer Anwaltskosten in der Schweiz eher unüblich (DAVID/FRICK/KUNZ/STUDER/ZIMMERLI, SIWR I/2, Rz 592).

2. Zuständigkeit (Binnensachverhalte)

a) Örtliche Zuständigkeit
Art. 13 ZPO normiert eine alternative örtliche Zuständigkeit für Massnahmenbegehren. Für die Anordnung vorsorglicher Massnahmen vor Rechtshängigkeit des Hauptprozesses ist zwingend das Gericht am Ort zuständig, an dem die Zuständigkeit für die Hauptsache gegeben ist (lit. a), oder an dem die Massnahme vollstreckt werden soll (lit. b). Somit wird die örtliche Zuständigkeit des einstwilligen Rechtsschutzes bei Eintritt der Rechtshängigkeit des Hauptverfahrens entsprechend fixiert. Jedoch bleibt die Massnahmenzuständigkeit am Vollstreckungsort gemäss Art. 13 lit. b ZPO auch nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Hauptverfahrens bestehen, sofern keine Klageidentität vorliegt (Art. 59 Abs. 2 lit. d ZPO). Bei Art. 13 ZPO handelt sich um zwingende Gerichtsstände (Art. 9 ZPO), von denen die Parteien nicht mittels Vereinbarung abweichen können. Es genügt, wenn die Gesuchstellerin die für die Beurteilung der Massnahmenzuständigkeit relevanten Tatsachen glaubhaft macht (SCHLOSSER, conditions, S. 340).

b) Sachliche Zuständigkeit
Gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. a ZPO bezeichnen die Kantone ein Gericht, das als einzige kantonale Instanz für Streitigkeiten im Zusammenhang mit geistigem Eigentum einschliesslich Streitigkeiten betreffend der Nichtigkeit, Inhaberschaft, Lizenzierung, Übertragung und Verletzung solcher Rechte zuständig ist. Dies gilt unabhängig vom Streitwert. Jene Instanz ist gemäss Art. 5 Abs. 2 ZPO auch für die Anordnung vorsorglicher Massnahmen vor Eintritt der Rechtshängigkeit einer Klage zuständig. Ein vorgängiges Schlichtungsverfahren findet nicht statt (Art. 248 lit. d i.V.m. Art. 198 lit. a ZPO). Im Übrigen bestimmt das kantonale (Gerichtsorganisations-)Recht die sachliche Zuständigkeit seiner Gerichte (Art. 4 Abs. 1 ZPO). Die Anordnung von vorsorglichen Massnahmen fällt in der Regel in die Kompetenz eines Einzelgerichts oder des Präsidenten der betreffenden Gerichtsinstanz (siehe z.B. § 45 lit. b. GOG/ZH). 

3. Internationaler Sachverhalt

a) Zuständigkeit
Liegt ein internationaler Sachverhalt vor, d.h. hat z.B. eine der Parteien ihren Sitz im Ausland, richtet sich die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte für Verfahren wegen Markenverletzungen in der Schweiz grundsätzlich nach dem IPRG, sofern nicht aufgrund des Vorranges von Völkerrecht (Normenhierarchie) ein Staatsvertrag, insbesondere das LugÜ, vorgeht (vgl. Art. 1 Abs. 2 IPRG).
Im Anwendungsbereich des LugÜ hält dessen Art. 31 mit Blick auf die direkte internationale Zuständigkeit fest, dass die nach Schweizer Recht vorgesehenen einstweiligen Massnahmen, einschliesslich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind, bei den schweizerischen Gerichten auch dann beantragt werden können, wenn für die Entscheidung in der Hauptsache das Gericht eines anderen Vertragsstaates zuständig wäre (Art. 2 ff. LugÜ). Die internationale örtliche Zuständigkeit innerhalb der Schweiz bestimmt sich dann nach IPRG (siehe nachfolgend).

Findet das LugÜ keine Anwendung, so bestimmt sich die direkte internationale Zuständigkeit für vorsorgliche Massnahmen wegen Markenverletzung nach Art. 10 IPRG, welcher für die Anordnung vorsorglicher Massnahmen die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte vorsieht, die in der Hauptsache zuständig sind (lit. a), oder der schweizerischen Gerichte am Ort, an dem die Massnahme vollstreckt werden soll (lit. b). Mögliche Hauptsache-Gerichtsstände im Bereich von Markenverletzungen finden sich in Art. 109 Abs. 2 IPRG, der ein weitgehendes Wahlrecht zugunsten der Gesuchstellerin vorsieht («forum shopping»).

b) Anwendbares Recht
Schweizerische Gerichte wenden bei der Beurteilung von vorsorglichen Massnahmengesuchen (Glaubhaftmachung, Inhalt, Beweissicherungsmassnahmen, Sicherheitsleistung, etc.) schweizerisches Verfahrensrecht an (Art. 31 LugÜ). Für die materielle Beurteilung des Gesuchs in der Sache (Verfügungsanspruch bzw. Hauptprognose) gilt die lex causae (Art. 110 IPRG). Dies dürfte in der Regel schweizerisches Markenrecht sein (Schutzlandprinzip).

c) Anerkennung und Vollstreckung
Im Anwendungsbereich des LugÜ ist darauf hinzuweisen, dass ex parte-Entscheidungen von schweizerischen Gerichten, d.h. superprovisorische Massnahmen ohne vorgängige Anhörung der Gesuchsgegnerin (Art. 265 ZPO), im Ausland zufolge fehlender Anerkennungsfähigkeit nicht vollstreckt werden könnten (Art. 34 Ziff. 2 LugÜ; EuGH Rs. 125/79 vom 21.05.1980 – Denilauer/Couchet; BGer 4P.331/2005 vom 01.03.2006 E. 7.2).
Die Anerkennung und Vollstreckung von vorsorglichen Massnahmenentscheiden aus-ländischer Gerichte in der Schweiz richtet sich nach Art. 32 ff. LugÜ respektive Art. 25 ff. und 111 IPRG.

4. Verfahren

Auf vorsorgliche Massnahmen der ZPO findet das summarische Verfahren Anwendung (Art. 248 lit. d ZPO). Es wird mit einem Gesuch der Gesuchstellerin eingeleitet (Art. 252 Abs. 1 ZPO), und zwar unterzeichnet und in Papierform oder elektronisch (Art. 130 ZPO). Die Möglichkeit, das Gesuch im Falle von Einfachheit oder Dringlichkeit mündlich beim Gericht zu Protokoll zu geben (Art. 252 Abs. 2 ZPO), spielt praktisch kaum je eine Rolle. Der Inhalt des Gesuchs richtet sich sinngemäss nach den Voraussetzungen von Art. 221 ZPO (vgl. Art. 219 ZPO).

Erscheint das Gesuch um Anordnung vorsorglicher Massnahmen nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so gibt das Gericht der Gesuchsgegnerin mittels prozessleitender Verfügung die Gelegenheit, eine Stellungnahme einzureichen (Art. 253 ZPO), wobei angesichts der Raschheit des Verfahrens keine Verhandlung vor Gericht (Akten-prozess) und grundsätzlich nur ein Schriftenwechsel vorgesehen ist (Art. 256 Abs. 1 ZPO). Aufgrund der verfassungsmässigen Garantie auf rechtliches Gehör (Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 53 Abs. 1 ZPO), welche auch im Massnahmenverfahren gilt (BGE 137 III 324 E. 3.2.2), wird ein zweiter Schriftenwechsel ausnahmsweise als zulässig erachtet, wenn entscheidungsrelevante Einwendungen oder Einreden durch die Gesuchgegnerin vorgebracht werden, zu welchen sich die Gesuchstellerin im Gesuch nicht äusserte (BGE 138 I 154 E. 2.3.3).

Aufgrund der angestrebten Raschheit des summarischen Verfahrens sind grundsätzlich nur liquide Beweismittel zulässig, weshalb in erster Linie Urkunden in Frage kommen (Art. 254 Abs. 1 ZPO). Das Gesetz lässt alternative Beweismittel nur unter der Voraussetzung zu, dass sie das Verfahren nicht wesentlich verzögern, oder wenn es der Verfahrenszweck erfordert (Art. 254 Abs. 2 lit. a und b ZPO). Das Beweismass ist tiefer und beschränkt sich auf die Glaubhaftmachung, sowohl für den Schutzanspruch als auch für die behauptete Verletzung oder allfällige Einwände der Gesuchsgegnerin. Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache im Rahmen einer Sachbehauptung schon dann, wenn für deren Vorhandensein gewisse Elemente sprechen, selbst wenn das Gericht noch mit der Möglichkeit rechnet, dass sie sich nicht verwirklicht haben könnten (Art. 261 Abs. 1 ZPO; BGE 132 III 83 E. 3.2; 130 III 321 E. 3.3).

Was allfällige Fristen anbelangt, ist zu beachten, dass die Fristenstillstände (Gerichtsferien) nach Art. 145 Abs. 1 ZPO aufgrund von Art. 145 Abs. 2 lit. b ZPO (summarisches Verfahren) für vorsorgliche Massnahmen nicht gelten (Beschleunigungszweck). Dasselbe gilt auch im Falle eines allfälligen Weiterzugs an das Bundesgericht für die Fristen nach BGG (Art. 46 BGG; zum Weiterzug ans Bundesgericht siehe III. Ergänzende Hinweise, 8. Rechtsmittelverfahren, Rz 34 ff.). 

5. Sicherheitsleistungen

Vorsorgliche Massnahmengesuche dürfen ungeachtet eines Antrages der Gesuchsgegnerin nicht von der Leistung einer Sicherheit für die Parteientschädigung nach Art. 99 ZPO abhängig gemacht werden, weil sie im summarischen Verfahren ergehen (Art. 248 lit. d ZPO) und dies einen Ausnahmetatbestand darstellt (Art. 99 Abs. 3 lit. c ZPO).

Das Gericht kann jedoch, wenn infolge der einstweiligen Verfügung ein Schaden für die Gesuchsgegnerin zu befürchten ist, die Anordnung vorsorglicher Massnahmen von der Leistung einer Sicherheit («Sicherheitsleistung») durch die Gesuchstellerin abhängig machen (Art. 264 Abs. 1 ZPO). Es kann nämlich durchaus sein, dass sich die vorsorgliche Massnahme aufgrund des niedrigeren Beweismasses im späteren Hauptsacheverfahren im Nachhinein als ungerechtfertigt erweist. Was die Höhe der Sicherheitsleistung angeht, ist in erster Linie auf die betrieblichen Umstellungskosten oder mögliche Umsatzrückgänge wegen des Verzichts auf den Zeichengebrauch abzustellen, und nicht pauschal auf den Ertragswert aller betroffenen Produkte oder Leistungen (SHK MSchG-STAUB, Art. 59 N 70). Als Gesuchsgegnerin empfiehlt es sich ggf., im Rahmen der Gesuchsantwort einen solchen Parteiantrag zu stellen und die Entstehung eines Schadens in bestimmter Höhe glaubhaft zu machen (SHK MSchG-STAUB, Art. 59 N 69). Im Bereich der superprovisorischen Massnahmen hat das Gericht nach Eingang des Gesuchs von Amtes wegen zu prüfen, ob die Gesuchstellerin zu einer vorgängigen Sicherheitsleistung zu verpflichten ist (Art. 265 Abs. 3 ZPO).

Schliesslich steht es der Gesuchsgegnerin im Zuge vorsorglicher Massnahmen frei, selber gemäss Art. 261 Abs. 2 ZPO eine angemessene Sicherheit zu leisten bzw. eine solche anzubieten, damit das Gericht bei der Beurteilung des Massnahmengesuchs von einer Anordnung derselben absieht oder im Falle nachträglicher Zahlung aufhebt, weil es die Voraussetzungen (Art. 261 Abs. 1 ZPO) unter diesen Umständen nicht mehr als gegeben erachtet. Dies folgt aus dem Verhältnismässigkeitsprinzip (BBl 2006 7221, S. 7354).

6. Rechtshängigkeit und Unterbrechungsgrund

Mit dem Gesuch um vorsorgliche Massnahmen wird Rechtshängigkeit begründet (Art. 62 Abs. 1 ZPO). Zwar listet weder Art. 135 Ziff. 2 OR noch Art. 138 OR (Unterbrechung der Verjährung) das Massnahmengesuch wörtlich auf, jedoch ist unter «Klageer-hebung» laut Bundesgericht jede prozesseinleitende bzw. vorbereitende Handlung zu verstehen, mit welcher der Gläubiger zum ersten Mal in der gesetzlich vorgeschriebenen Form den Schutz des Gerichts anruft (vgl. BGE 118 II 479 E. 3). Somit stellt auch ein Gesuch um Anordnung vorsorglicher Massnahmen einen Unterbrechungsgrund für die Verjährung dar.

7. Rechtskraft, Vollstreckung, Änderung und Aufhebung

Gemäss Art. 267 ZPO trifft das Gericht, welches die vorsorgliche Massnahme anordnet, auch die erforderlichen Vollstreckungsmassnahmen (vgl. Art. 343 ZPO). Es bedarf also keines separaten Vollstreckungsgesuchs der Gesuchstellerin (BBl 2006 7221, S. 7357). Die Massnahmen werden in der Regel auf entsprechenden Antrag der (obsiegenden) Gesuchstellerin gerichtlich angeordnet (vgl. Art. 219 i.V.m. Art. 236 Abs. 3 ZPO). Entscheide über vorsorgliche Massnahmen in Markenverletzungsfällen werden, da sie nicht mehr mit einem ordentlichen Rechtsmittel mit (grundsätzlich) suspensiver Wirkung angefochten werden können (vgl. Art. 72 ff. und 103 Abs. 1 BGG), sofort formell rechtskräftig und vollstreckbar.

Dennoch können vorsorgliche Massnahmen je nach Entwicklung der Sachlage (neue Erkenntnisse oder Beweismittel) jederzeit und mit sofortiger Wirkung (ohne Rechtsmittel) abgeändert oder aufgehoben werden. Haben sich nämlich die tatsächlichen Umstände geändert oder erweisen sich vorsorgliche Massnahmen nachträglich als ungerechtfertigt, so kann das Gericht auf Parteiantrag (Regelfall) oder von sich aus auf seinen Massnahmenentscheid zurückkommen (Art. 268 Abs. 1 ZPO; DAVID/FRICK/KUNZ/ STUDER/ZIMMERLI, SIWR I/2, Rz 669).

Mit rechtskräftigem Entscheid in der Hauptsache (endgültiger Rechtsschutz) fällt die vorsorgliche Massnahme als einstweiliger Rechtsschutz von Gesetzes wegen dahin (Aufhebung), ohne dass es hierfür einer gerichtlichen Aufhebungsverfügung bedarf, es sei denn, das Gericht ordnet ausnahmsweise die Weitergeltung an (Art. 268 Abs. 2 ZPO).

8. Rechtsmittelverfahren

Da aufgrund von Art. 5 ZPO in Markenverletzungssachen in der ganzen Schweiz jeweils nur eine einzige (in der Regel obere) kantonale Instanz für die Anordnung vorsorglicher Massnahmen in Frage kommt, und zwar unabhängig vom Streitwert, sind deren Massnahmenentscheide der Beschwerde in Zivilsachen ans Bundesgericht zugänglich (Art. 72 ff. und 74 Abs. 2 lit. b BGG).

Vorsorgliche Massnahmenentscheide, welche vor oder während eines Hauptverfahrens erlassen werden und nur für die Dauer des Hauptverfahrens Bestand haben bzw. unter der Bedingung, dass ein Hauptverfahren eingeleitet wird, können als selbständig eröffnete Zwischenentscheide im Sinne des BGG nur angefochten werden, wenn sie einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur bewirken, der auch durch einen für die Beschwerdeführerin günstigen Entscheid in der Zukunft nicht mehr behoben werden kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 137 III 324 E. 1.1).

Dem Bundesgericht kommt bei der Überprüfung jedoch nur eine eingeschränkte Kognition zu. Es kann den Massnahmenentscheid nur auf Verletzung verfassungsmässiger Rechte hin überprüfen (Art. 98 BGG), was in der Praxis häufig auf eine Willkürrüge (Art. 9 BV) hinausläuft. Im Ergebnis kommt eine solche Beschwerde der subsidiäre Verfassungsbeschwerde ans Bundesgericht nahe (vgl. Art. 113 ff. BGG); dies insbesondere auch deshalb, weil das Bundesgericht die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten («Grundrechte») im Rahmen der Beschwerde in Zivilsachen gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG nur insofern prüft, als eine solche Rüge in der Rechtsschrift vorgebracht und begründet worden ist (strenge Rügeprinzip). Unter das Rügeprinzip fällt auch die Rüge der offensichtlich unrichtigen Sachverhaltsfeststellung (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 105 Abs. 2 BGG).

Die Beschwerde in Zivilsachen ist innert einer Frist von 30 Tagen ab Eröffnung der vollständigen Ausfertigung des kantonalen Entscheids beim Bundesgericht einzureichen (Art. 100 Abs. 1 BGG). In der Regel hat die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung (Art. 103 Abs. 1 BGG); diese muss beim zuständigen Instruktionsrichter am Bundesgericht beantragt werden, der eine andere Anordnung treffen kann (Art. 103 Abs. 3 BGG).

9. Nichtigkeitseinrede durch Gesuchsgegnerin

Die Gesuchsgegnerin kann im Massnahmenverfahren die «Einrede» der Nichtigkeit der Marke der Gesuchstellerin erheben, obwohl die Nichtigerklärung des Schutzrechts nur in einem Hauptverfahren ergehen kann, sofern damit das Verfahren nicht unnötig verzögert wird oder die Nichtigkeit offensichtlich ist. Im Zweifel ist allerdings im Massnahmenverfahren eher von der Gültigkeit der Marke auszugehen. In Frage kommen neben den absoluten Ausschlussgründen von Art. 2 MSchG namentlich auch der Nichtgebrauch im Sinne von Art. 11 f. MSchG (SHK MSchG-STAUB, Art. 59 N 15; KGer FR, 31.08.2001, sic! 2001 S. 817 – Swis Clima/SwissClima; KGer SZ, 07.07.2008, sic! 2009 S. 79 – Go Fast).

10. Prosequierung (Bestätigungsklage)

Ist die Klage in der Hauptsache noch nicht rechtshängig, so setzt das Massnahmenge-richt der Gesuchstellerin eine Frist zur Einreichung der Klage im Hauptprozess, mit der Androhung, dass die einstweilige Verfügung nach ungenutztem Fristablauf ohne weiteres dahinfällt (Art. 263 ZPO). Die Frist wird zusammen mit der Anordnung der vorsorglichen Massnahme angesetzt. Je schwerwiegender sich die vorsorgliche Massnahme manifestiert, desto kürzer wird die Frist berechnet. Üblich ist etwa die Ansetzung einer (einmaligen) Frist von 60 Tagen nach Erhalt des Massnahmenentscheids, um den Prozess in der Hauptsache anhängig zu machen.

11. Kein Ausstandsgrund im Hauptverfahren

Die Anordnung vorsorglicher Massnahmen stellt in Bezug auf die betreffende Gerichtsperson für sich alleine noch keinen Ausstandgrund dar, welcher die Mitwirkung derselben in einem späteren Hauptverfahren ausschliessen würde (Art. 47 Abs. 2 lit. d ZPO; vgl. BGE 131 I 113 E. 3.6 und 3.7). 

12. Haftung der Gesuchstellerin (Schadenersatz)

Gemäss Art. 37 ZPO sind für Schadensersatzklagen wegen ungerechtfertigter vorsorglicher Massnahmen das Gericht am Wohnsitz oder Sitz der beklagten Partei oder an dem Ort, an dem die vorsorgliche Massnahme angeordnet wurde, zuständig. Der Ort, an dem die vorsorgliche Massnahme angeordnet wurde, ist der Ort des verfügenden Gerichts, an dem eine besondere Sachnähe besteht. Dieser Gerichtsstand ist nicht zwingend.

iusNet IGR 20.06.2018

Vorsorgliche Massnahmen bei Markenverletzung

Arbeitshilfen
Markenrecht

Vorsorgliche Massnahmen bei Markenverletzung

(Quelle: Matthias Städeli/Fabio Versolatto, §46 Vorsorgliche Massnahmen bei Markenverletzung, in: Willi Fischer/Fabiana Theus Simoni/Dieter Gessler, Kommentierte Musterklagen zum Gesellschaftsrecht und zum Geistigen Eigentum, Zürich/Basel/Genf 2016)

I. Vorbemerkungen

1. Ausgangslage

Die Zeppelin AG mit Sitz in St. Gallen verfügt seit dem Jahr 2000 über mehrere Schweizer Wort- und Wort-/Bildmarken, welche das Element ZEPPELIN enthalten, sei es in Alleinstellung oder in Kombination mit weiteren verbalen oder grafischen Elementen. Die beanspruchten Waren gemäss Register sind Bekleidungsstücke und Schuhwaren in Klasse 25, wobei die Zeppelin AG die Marken im konkreten Zusammenhang mit den genannten Produkten seit über zehn Jahren im schweizerischen Geschäftsverkehr verwendet. Die Markenwaren des Unternehmens, welche über ein grosses Netz von Vertriebspartnern und im ausgewählten Einzelhandel landesweit vertrieben werden, verfügen bei der hiesigen Abnehmerschaft über eine erhöhte Bekanntheit und geniessen zudem einen guten Ruf (Traditionsunternehmen).

iusNet IGR 20.06.2018

 

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