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Markenwiderspruch

Markenwiderspruch

(Quelle: Gregor Wild, §45 Markenwiderspruch, in: Willi Fischer/Fabiana Theus Simoni/Dieter Gessler, Kommentierte Musterklagen zum Gesellschaftsrecht und zum Geistigen Eigentum, Zürich/Basel/Genf 2016)

I. Vorbemerkungen

1. Ausgangslage

Die Zeppelin AG mit Sitz in Rorschach verfügt über mehrere Schweizer Wort- und Wort-/Bildmarken, welche das Element ZEPPELIN enthalten, sei es in Alleinstellung, sei es in Kombination mit weiteren verbalen oder graphischen Elementen. Die Zeppelin AG wurde nun darauf aufmerksam, dass eine Konkurrentin im relevanten Produktesegment eine Marke Graf Zeppelin (fig.), d.h. mit zusätzlichen figurativen Elementen, für die Schweiz eintragen liess und möchte sich gegen diese Eintragung zur Wehr setzen.

2. Vorteile des Markenwiderspruchsverfahrens

Die Zeppelin AG kann bei einem zuständigen Zivilgericht auf Markenlöschung wegen relativer Ausschlussgründe (Art. 3 MSchG) klagen, allenfalls verbunden mit einem Unterlassungsbegehren hinsichtlich des effektiven Markengebrauchs (Art. 13 MSchG). Die Einreichung einer solchen Klage ist mit relativ hohen Kostenrisiken verbunden, zumal das Bundesgericht bereits bei nicht überdurchschnittlich bekannten Marken von einem Streitwert von CHF 50'000.00 bis CHF 100'000.00 ausgeht (BGE 133 III 490 E. 3.3 – Turbinenfuss [3D] mit Hinweisen) und die Klägerin basierend auf diesem (Mindest-)Streitwert vorschusspflichtig würde.

Als Alternative zu diesem gerichtlichen Löschungsverfahren bietet sich das Markenwiderspruchsverfahren vor dem IGE an, welches als einfaches, rasches und kostengünsti-ges Verfahren konzipiert ist und in welchem mit verhältnismässig geringem Aufwand über den Rechtsbestand der jüngeren Marke, d.h. über ihre Eintragung, entschieden werden kann.

Das Widerspruchsverfahren ist ein atypisches, kontradiktorisches Verwaltungsverfahren, in welchem von einer Verwaltungsbehörde materielles Zivilrecht angewendet wird (VON BÜREN/MARBACH/DUCREY, Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Rz 697). Etwas zugespitzt kann man das Widerspruchsverfahren auch als «kleinen Zivilprozess» bezeichnen, in welchem das IGE mit eingeschränkter Kognition über die zivilrechtliche Frage der Rechtsbeständigkeit einer eingetragenen Marke im Lichte relativer Ausschlussgründe entscheidet. In formeller Hinsicht handelt es sich beim Widerspruchsverfahren um ein Verfahren nach VwVG, subsidiär ergänzt mit Verfahrensbestimmungen der ZPO.

3. Zu beachtende Fristen und Kosten

Siehe dazu hinten unter III. Ergänzende Hinweise.

II. Klageschrift

Musterklageschrift zum Download

III. Ergänzende Hinweise

1. Anspruchsgrundlage des Widerspruchsverfahrens und Legitimation

Zur Einreichung eines Widerspruchs legitimiert ist nach Art. 31 Abs. 1 MSchG der Inhaber einer im Verhältnis zur angefochtenen Marke älteren, in fast allen Fällen auch registrierten Marke. Andere Rechte wie insbesondere Firmen- (Art. 944 OR), Namens- (Art. 29 ZGB), Sortenbezeichnungs- (Art. 12 SoSchG; RKGE, 30.05.2001, sic! 2001 S. 530 – Johanniter), öffentliche Zeichenrechte nach WSchG und NZSchG, Rechte an Herkunftsangaben (Art. 47 MSchG; BVGer B-7489/2006 vom 10.12.2008 E. 7.2 – Le Gruyère Switzerland/Gruyère Cuisine), geschützte Ursprungsbezeichnung (Art. 2 GUB/GGA-VO), geografische Angaben (Art. 3 GUB/GGA-VO) oder Urheberrechte (Art. 2 URG; RKGE, 27.11.2003, sic! 2004 S. 416 – Central Perk II) können nicht Grundlage für einen gültigen Widerspruch sein. Aussen vor bleiben auch obligatorische Anspruchsgrundlagen. Wird gestützt auf andere als ältere Markenrechte oder andere relative Rechtspositionen ein Widerspruch eingereicht, ergeht ein Entscheid auf Nichteintreten (BSK MSchG-DAVID, Art. 31 N 3 f.).

Die Aktivlegitimation muss im Zeitpunkt des Ablaufs der Widerspruchsfrist und im Zeitpunkt des Entscheids gegeben sein (CR PI-MÜHLSTEIN, Art. 31 N 13). Wenn die Widersprechende als Inhaberin der Widerspruchsmarke im Register eingetragen ist, wird davon ausgegangen, dass sie tatsächlich die Inhaberin und somit aktivlegitimiert ist (Art. 9 Abs. 1 ZGB). Der Widerspruchsgegnerin steht aber der Beweis des Gegenteils offen, indem sie etwa dem IGE Auszüge aus einem schriftlichen Übertragungsvertrag vorlegt (Art. 9 Abs. 2 ZGB).

Die Frage, ob die Widerspruchsmarke älter ist als die angefochtene, beurteilt sich nach dem Prioritätsprinzip (Art. 3 Abs. 2 MSchG) bzw. der Registerangabe: Die Widerspruchsmarke muss zeitlich vor der angefochtenen Marke beim IGE hinterlegt worden sein (Art. 6 MSchG) oder eine ältere Priorität gemäss Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ) beanspruchen können.

Die Passivlegitimation kommt stets und ausschliesslich der Inhaberin der jüngeren Marke zu. Wurde die angefochtene Marke bereits vor Ablauf der Widerspruchsfrist übertragen, die neue Inhaberin jedoch (noch) nicht als Inhaberin im Register vermerkt, so wird der Widersprechenden ein Wahlrecht zustehen, ob sie den Widerspruch gegen die aktuelle oder gegen die noch im Register eingetragene Inhaberin einreichen will (CR PI-MÜHLSTEIN, Art. 31 N 18). Sind mehrere Inhaberinnen an der angefochtenen Marke berechtigt, so ist der Widerspruch gegen alle zu richten (RKGE, 19.03.1999, sic! 1999 S. 283 – Chalet). Wird die angefochtene Marke (Streitgegenstand) während des hängigen Widerspruchsverfahrens übertragen, bleibt dies nach den sinngemäss anwendbaren Art. 83 Abs. 4 ZPO ohne Einfluss auf die Passivlegitimation, wenn die Widersprechende einem Parteiwechsel nicht zustimmt (vgl. RKGE, 01.05.2001, sic! 2001 S. 424 und 425 – Poxilith/Porolith [fig.]; RKGE, 22.11.2005, sic! 2006 S. 183 – Banette/Panetta [fig.]).

2. Form und Frist des Widerspruchs

Der Widerspruch ist schriftlich in zwei Exemplaren einzureichen (Art. 20 MSchV). Für die Einreichung eines Widerspruchs stellt das IGE ein Formular zur Verfügung, dessen Verwendung indes fakultativ ist. Der Widerspruch ist in einer Amtssprache, d.h. Deutsch, Französisch, Italienisch oder Rätoromanisch (sofern die Widersprechende rätoromanischer Sprache ist; Art. 70 Abs. 1 Satz BV), nicht aber etwa in Englisch einzureichen (Art. 3 Abs. 1 MSchV i.V.m. Art. 4 BV).

Die dreimonatige Widerspruchsfrist endet an dem Tag, der dieselbe Zahl trägt wie der Tag, an dem sie zu laufen begonnen hat. Fehlt ein entsprechender Tag, so endet die Frist am letzten Tag des letzten Monats (Art. 2 MSchV). Ist der letzte Tag der Frist ein Samstag, ein Sonntag oder ein vom Bundesrecht oder vom kantonalen Recht anerkannter Feiertag, so endet sie am nächstfolgenden Werktag. Massgebend ist das Recht des Kantons, in dem die Partei oder ihr Vertreter Wohnsitz oder Sitz hat (Art. 20 Abs. 3 VwVG).

Beispiel für die Fristberechnung: Publikation einer Schweizer Marke im Swissreg am 17. Juli 2014: Fristbeginn 17. Juli 2014 um 00:00 Uhr; Fristablauf 17. Oktober 2014 um 23:59 Uhr.

Die Widerspruchsfrist kann als gesetzliche Frist nicht erstreckt werden (Art. 22 Abs. 1 VwVG). Die schriftliche Begründung des Widerspruchs innerhalb der Widerspruchsfrist ist ebenfalls eine Eintretensvoraussetzung. So wird nach geltendem Recht z.B. auf einen Widerspruch, in dem lediglich die «Nachreichung der Begründung» vermerkt wird, diese Nachreichung aber nicht innert der Widerspruchsfrist erfolgt, nicht eingetreten. Aus der parlamentarischen Beratung der Bestimmungen zum Widerspruchsrecht geht aber hervor, dass die innert der Widerspruchsfrist einzureichende Begründung lediglich als «erste Begründung» verstanden sein wollte (Bundesrat KOLLER im Nationalrat, AB 1992 N 401), und «jemand zu einem späteren Zeitpunkt mit der zweiten Rechtsschrift, die zur Verfügung steht, eine detaillierte Begründung nachreichen kann» (Nationalrat STAMM, AB 1992 N 401). Sofern also die Widersprechende ihrer formellen Begründungspflicht innerhalb der Widerspruchsfrist nachgekommen ist, ist es ihr unbenommen, noch weitere Argumente vorzubringen (SHK MSchG-WILD, Art. 31 N 36).

Die fristgerechte Gebührenzahlung ist eine Eintretensvoraussetzung (RKGE, 20.03.2003, sic! 2003 S. 502 – Widerspruchsgebühr; RKGE, 30.04.2001, sic! 2001 S. 526 und 527 f. – Tigermarket). Wird ein Widerspruch auf mehrere Marken gestützt bzw. gegen mehrere Marken gerichtet, fällt der genannte Betrag für jede ins Feld geführte bzw. für jede angefochtene Marke an. Stützt man seinen Widerspruch auf zwei Marken, fällt die Gebühr zweimal an. Wird in solchen Fällen innert Frist nur eine Gebühr bezahlt, kann bzw. muss die Widersprechende auch nach Fristablauf noch klarstellen, für welchen der erhobenen Widersprüche die Gebührenbezahlung bestimmt ist (IGE-Richtlinien, Teil 5, Ziff. 2.6.1).

Nicht eingetreten wird insbesondere auf einen Widerspruch, wenn die Begründung fehlt (Art. 31 Abs. 2 MSchG), sich der Widerspruch gegen eine gelöschte oder nicht eingetragene Marke richtet (Art. 31 Abs. 1 MSchG), der Widerspruch sich nicht auf eine (ältere) Marke stützt (Art. 31 Abs. 1 MSchG), der Widerspruch sich gegen eine ältere Marke richtet (Art. 31 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 MSchG), der Widerspruch sich gegen ein Markengesuch (hängige Anmeldung) richtet, ein sonstiges wesentliches Element, wie die Bezeichnung der Parteien oder die Identifikation der sich gegenüberstehenden Marken, überhaupt fehlt (Art. 20 MSchV) oder wenn im Zeitpunkt des Ablaufs der Widerspruchsfrist die Aktivlegitimation (BVGer B-5165/2011 vom 22.03.2012 E. 3.3 – Sonnenschein [fig.]/Europa-Solar AG [fig.]), die Partei- und/oder die Prozessfähigkeit nicht gegeben sind.

3. Einrede des Nichtgebrauchs der Widerspruchsmarke durch die Widerspruchsgegnerin

Behauptet die Widerspruchsgegnerin den Nichtgebrauch der Widerspruchsmarke nach Art. 12 Abs. 1 MSchG, so hat die Widersprechende den Gebrauch ihrer Marke oder wichtige Gründe für den Nichtgebrauch glaubhaft zu machen (Art. 32 MSchG). Will die Widerspruchsgegnerin den Nichtgebrauch der Marke der Widersprechenden im Sinne von Art. 12 Abs. 1 MSchG anrufen, hat sie die entsprechende Behauptung aufgrund von Art. 22 Abs. 3 MSchV in ihrer ersten (inhaltlichen) Stellungnahme vorzutragen, also in der Widerspruchsantwort.

Aufgrund einer beschränkten Entscheidkognition im Widerspruchsverfahren begnügt sich das Gesetz für die Frage des effektiven Gebrauchs mit dem geringeren Beweismass der Glaubhaftmachung (Art. 32 MSchG). Erforderlich ist ein Gebrauch der Marke in der Schweiz (BVGer B-2910/2012 vom 20.01.2014 E. 4.6 – ARTELIER/ARTELIER). Eine Ausnahme ergibt sich hier einzig aus dem Übereinkommen zwischen der Schweiz und Deutschland betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz (SR 0.232.149.136). Gemäss Art. 5 Abs. 1 dieses Übereinkommens gilt der Gebrauch der Marke in einem Staat auch im andern als rechtserhaltend.

Ist die Einrede des Nichtgebrauchs erhoben worden, ist der Gebrauch der Marke wäh-rend der letzten fünf Jahre vor Geltendmachung des Nichtgebrauchs glaubhaft zu machen (Art. 32 MSchG; BVGer B-2681/2012 vom 22.07.2013 E. 3.1 – APRIL/APIL – As-surance Pour Impayés de Loyer). Rechtserhaltend ist nur ein ernsthafter Gebrauch. Bei der Ernsthaftigkeit des Gebrauchs wird in subjektiver Hinsicht die Absicht vorausgesetzt, der Nachfrage des Marktes genügen zu wollen (BVGer B-2910/2012 vom 20.01.2014 E. 4.5 – ARTELIER/ARTELIER). Die Marke muss nicht auf der Ware oder der Verpackung selbst erscheinen. Rechtserhaltend wirkt jedoch nur ein funktionsgerechter Gebrauch der Marke. Es genügt, wenn ein Zeichen vom Publikum als Mittel zur Kennzeichnung von Waren und Dienstleistungen verstanden wird. Ausreichend kann z.B. eine Benutzung der Marke auf Prospekten, Preislisten, Rechnungen usw. sein (BVGer B-2910/2012 vom 20.01.2014 E. 5.4 – ARTELIER/ARTELIER). Die Marke ist geschützt, soweit sie im Zusammenhang mit den Waren und/oder Dienstleistungen gebraucht wird, für die sie beansprucht wird (Art. 11 Abs. 1 MSchG).

Die Verwendung von Oberbegriffen der Klassenüberschriften der Nizza-Klassifikation deckt nur diejenigen Waren ab, die diesen effektiv zugeordnet werden können (BVGer B-1686/2012 vom 09.04.2013 E. 4.2 – CAMILLE BLOCH MON CHOCO-LAT SUISSE [fig.]/my swiss chocolate.ch [fig.]). Eine Marke ist grundsätzlich so zu benutzen, wie sie im Register eingetragen ist. Immerhin lässt Art. 11 Abs. 2 MSchG den Gebrauch der Marke in einer von der Eintragung nicht wesentlich abweichenden Form als rechtserhaltend gelten. Entscheidend ist dabei, dass der kennzeichnungskräftige Kern der Marke, der das markenspezifische Gesamtbild prägt, seiner Identität nicht beraubt wird, und dass trotz der abweichenden Benutzung der kennzeichnende Charakter der Marke gewahrt bleibt (BGE 130 III 267 E. 2.4 – Tripp Trapp).

4. Verweis: Löschungsverfahren ab dem 1. Januar 2017

Ab dem 1. Januar 2017 wird neu auch ein vereinfachtes Markenlöschungsverfahren vor dem IGE ermöglicht: Jede Person kann beim IGE einen Antrag auf Löschung der Marke wegen Nichtgebrauchs nach Art. 12 Abs. 1 MSchG stellen (Art. 35a künftiges MSchG). Die Verfahrensbestimmungen finden sich in den neuen Art. 24a bis 24e der künftigen MSchV. Da das Löschungsverfahren, wie das Widerspruchsverfahren, als kontradiktorisches Verwaltungsverfahren ausgestaltet ist, wird man sich hinsichtlich der Verfahrensordnung grundsätzlich an jener des Widerspruchsverfahrens orientieren dürfen.

5. Materielles Markenkollisionsrecht: Kollisionspraxis

Die Praxis zur Zeichenähnlichkeit, Waren- und Dienstleistungsgleichartigkeit sowie zur Verwechslungsgefahr ist eine sehr reichhaltige Kasuistik, welche man bisweilen resigniert als reine Einzelfallgerechtigkeit oder schlimmer noch als kasuistische Gefühlsjurisprudenz bezeichnen muss, wobei dem Praktiker häufig nur noch die Flucht in die Datenbanken verbleibt. Immerhin bietet das IGE eine gut erschlossene Online-Prüfungshilfe mit seiner Kollisionspraxis an. In der Datenbank enthalten sind nicht nur die Leitentscheide des IGE, sondern auch die Beschwerdeentscheide des BVGer. Die Kollisionsdatenbank enthält jedoch keine Kollisionsentscheide des Bundesgerichts, da solche nur in Zivilverfahren, nicht aber im Zuge eines Widerspruchs, ergehen können (Art. 73 BGG).

Gibt man in dieser Widerspruchsdatenbank beispielsweise den Begriff «Tech» ein, zeigt die Datenbank auf, dass etwa im Widerspruch ERYTECH Pharma (fig.)/RHYTECH die Zeichenähnlichkeit verneint wurde (IGE, W-13555), ein Widerspruch LIFETEC/life technologies (fig.) für einige, als gleichartig beurteilte Waren gutgeheissen wurde (IGE, W-11569). Es empfiehlt sich für den Praktiker jedenfalls, für die wesentlichen, insbesondere kollisionsbegründenden Marken bzw. Markenelemente, eine Datenbankrecherche durchzuführen.

6. Verfahren

Im Widerspruchsverfahren gilt grundsätzlich der Untersuchungsgrundsatz (amtliche Sachverhaltsfeststellung) nach Art. 12 VwVG, welcher das öffentliche Verfahrensrecht beherrscht. Allerdings ist die Kognition der Behörde in sachlicher Hinsicht dahingehend beschränkt, dass das IGE im Rahmen der Kollisionsbeurteilung primär auf die formelle Registerlage abzustellen und die speziellen Marktrealitäten (effektive Verwechslungen, vertrags- und lauterkeitsrechtliche Aspekte etc.) unbeachtet zu lassen hat (ASCHMANN, Funktion, S. 99; vgl. auch RKGE, 17.11.1997, sic! 1998 S. 51 und 53 – Joyride).

Die Widerspruchsgegnerin ist mit dem Argument zu hören, der Schutzbereich der Widerspruchsmarke sei derart klein, dass eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen werden könne (siehe etwa RKGE, 03.02.1997, sic! 1997 S. 180 – Ecoline/Decoline; MARBACH, SIWR III/1, Rz 1162). Die formelle Rechtsbeständigkeit der Widerspruchsmarke kann im Widerspruchsverfahren aber nicht infrage gestellt werden (vgl. aber zum neuen Löschungsverfahren Rz 21). Dringt die Widerspruchsgegnerin mit ihrer Einrede durch, wird der Widerspruch abgewiesen, ohne dass aber die Widerspruchsmarke angetastet würde. Eine Löschung kann, vorbehaltlich des künftigen Löschungsverfahrens, nur vor den Zivilgerichten erwirkt werden.

Sind die formellen Voraussetzungen erfüllt, tritt das IGE auf den Widerspruch ein. Die in Art. 31 Abs. 2 MSchG und Art. 20 MSchV genannten formellen Voraussetzungen des Widerspruchsverfahrens sind Prozessvoraussetzungen. Sind diese bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist nicht erfüllt, ist auf den Widerspruch nicht einzutreten (RKGE, 19.03.1999, sic! 1999 S. 283 und 285 – Chalet). Es rechtfertigt sich eine strenge Handhabung der formellen Voraussetzungen, weil das Nichteintreten auf den Widerspruch nicht zu einem absoluten Rechtsverlust führt, sondern der Widersprechenden die Anfechtung vor Gericht offen steht (RKGE, 20.04.2001, sic! 2001 S. 526 – Tigermarket; RKGE, 19.03.1999, sic! 1999 S. 283 und 284 – Chalet).

Das IGE stellt die Widerspruchsschrift der Widerspruchsgegnerin bzw. dessen Vertreterin zur Stellungnahme zu. Bei angefochtenen Schweizer IR-Designation erfolgt ein «refus provisoire» unter Aufforderung an die Widerspruchsgegnerin, in der Schweiz einen Vertreter zu bestimmen (Art. 42 Abs. 1 MSchG). Konstituiert sich die Inhaberin der angefochtenen Marke im Verfahren nicht fristgerecht bzw. reicht sie nicht fristgerecht eine Stellungnahme ein, wird sie vom Verfahren ausgeschlossen und das Verfahren wird von Amtes wegen weitergeführt. Der Widerspruch wird also im Fall, indem sich die Widerspruchsgegnerin nicht meldet, nicht etwa automatisch gutgeheissen, sondern es erfolgt eine materielle Prüfung von Amtes wegen (SHK MSchG-WILD, Art. 31 N 47).

Im Rahmen des vom IGE angeordneten Schriftenwechsels werden in der Regel bei jeder Eingabe (Stellungnahme des Widerspruchgegners, Replik, Duplik) Fristerstreckungen von je zwei Monaten gewährt. Die Frist wird erstreckt, wenn vor Fristablauf ein Gesuch mit zureichenden Gründen eingereicht wird (Art. 22 Abs. 2 VwVG). Eine dritte Fristerstreckung wird nur ausnahmsweise und nach Anhörung der Gegenpartei gewährt; es müssen wichtige Gründe, wie z.B. Unfall, schwere Krankheit, Tod des Rechtsinhabers oder Vertreters (vgl. Rechtsprechung zu Art. 24 VwVG: BGE 108 V 109 E. 2.c), glaubhaft gemacht werden.

Typischerweise werden im Widerspruchsverfahren ein bis zwei Schriftenwechsel durchgeführt, ein zweiter insbesondere dort, wo vorfrageweise der rechtserhaltende Gebrauch zu prüfen ist (Art. 32 i.V.m. Art. 11 und 12 MSchG).

Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens kann die Widersprechende ihren Widerspruch einschränken, d.h. hinsichtlich der angefochtenen Produkte enger fassen als im Rechtsbegehren, welches ursprünglich gestellt wurde. Eine Einschränkung ist jeweils bis zum Entscheid des IGE möglich. Im Beschwerdeverfahren entspricht die Einschränkung der Teilanfechtung des (abweisenden) Entscheids. Umgekehrt ist eine Ausdehnung des Widerspruchs nach Ablauf der Widerspruchsfrist nicht zulässig (SHK MSchG-WILD, Art. 31 N 49).

7. Sistierung

Wenn sich der Widerspruch auf eine Markenhinterlegung (Anmeldung) stützt, kann das IGE den Entscheid über den Widerspruch aussetzen, bis die Marke eingetragen ist (Art. 23 Abs. 3 MSchV). Obwohl jeweils als Kann-Bestimmungen formuliert, dürften die genannten Fälle in der Praxis wohl ausnahmslos sistiert werden. Stützt sich der Widerspruch auf eine internationale Registrierung, die Gegenstand einer vorläufigen Schutzverweigerung durch das IGE ist, wird dieses den Entscheid über den Widerspruch aussetzen, bis über die Schutzverweigerung endgültig entschieden ist (Art. 51 Abs. 1 MSchV). Fällt die internationale Registrierung dahin und ist nach Art. 46a MSchG eine Umwandlung in ein Eintragungsgesuch möglich, so kann das IGE den Entscheid über den Widerspruch bis zur Umwandlung, d.h. bis zur nationalen Eintragung, sistieren (Art. 51 Abs. 2 MSchV).

8. Entscheid, insbesondere Kostenentscheid

Ist der Widerspruch begründet, wird die Eintragung ganz oder teilweise widerrufen, d.h. im Register gelöscht; andernfalls wird der Widerspruch abgewiesen (Art. 33 MSchG). Ein Widerspruchsverfahren wird namentlich in den folgenden Fällen ohne Sachentscheid erledigt: wegen Wegfall einer Prozessvoraussetzung oder infolge Gegenstandslosigkeit, Abstands oder Anerkennung, auch im Rahmen eines Vergleichs (siehe Art. 24 Abs. 2 MSchV; IGE-Richtlinien, Teil 5, Ziff. 9.2). Die unterliegende Wider-spruchsgegnerin kann das gleiche Zeichen erneut hinterlegen. Die Gerichte sind an den Widerspruchsentscheid nicht gebunden, mag die obsiegende Partei diesen auch vor-zugsweise in einem späteren Zivilprozess anrufen (vgl. MARBACH, SIWR III/1, Rz 1200).

Wird ein Verfahren gegenstandslos oder wird es durch Vergleich oder Abstand erledigt, so wird gemäss Art. 24 Abs. 2 MSchV der Widersprechenden die Hälfte der Widerspruchsgebühr zurückbezahlt. Im Falle eines bei ihr eingereichten Vergleichs erstattet das IGE jedoch aufgrund von Art. 33b Abs. 5 Satz 1 VwVG die gesamte Widerspruchsgebühr, sofern die Voraussetzungen der gütlichen Einigung von Art. 33b Abs. 1 und 4 VwVG erfüllt sind (namentlich Einigung über die Kostenverteilung und Rechtsmittel-verzicht; IGE-Richtlinien, Teil 5, Ziff. 9.3 siehe z.B. BVGer B-7417/2006 vom 27.10.2008 – M/M Joy). Kommt es zu einem Entscheid über den Widerspruch, werden die Verfahrenskosten in der Regel der vollständig oder weitgehend unterliegenden Partei auferlegt (vgl. Art. 66 BGG und Art. 63 VwVG). Von dieser Regel kann abgewichen werden, wenn es die Umstände rechtfertigen (MARBACH, SIWR III/1, Rz 1189, inkl. FN 1476, m.H. auf die analoge Anwendung von Art. 66 Abs. 1 BGG).

9. Rechtsmittel

Einen Widerspruchsentscheid des IGE kann eine mit ihren Rechtsbegehren nicht vollumfänglich durchdringende Partei mittels Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bun-desverwaltungsgericht anfechten (Art. 31, 32 und 33 lit. e VGG). Die Verwaltungsge-richtsbeschwerde ist innerhalb von 30 Tagen nach Eröffnung des Widerspruchsentscheids beim Bundesverwaltungsgericht einzureichen (Art. 37 VGG i.V.m. Art. 50 Abs. 1 VwVG). Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung (Art. 37 VGG i.V.m. Art. 55 Abs. 1 VwVG). Der Beschwerdeentscheid des Bundesverwaltungsgerichts ist endgültig. Art. 73 BGG erklärt die Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht gegen einen Entscheid, der im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens gegen eine Marke ergangen ist, für unzulässig. Auch die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist ausgeschlossen (Art. 113 BGG).

iusNet IGR 20.06.2018

Markenwiderspruch

Arbeitshilfen
Markenrecht

Markenwiderspruch

(Quelle: Gregor Wild, §45 Markenwiderspruch, in: Willi Fischer/Fabiana Theus Simoni/Dieter Gessler, Kommentierte Musterklagen zum Gesellschaftsrecht und zum Geistigen Eigentum, Zürich/Basel/Genf 2016)

I. Vorbemerkungen

1. Ausgangslage

Die Zeppelin AG mit Sitz in Rorschach verfügt über mehrere Schweizer Wort- und Wort-/Bildmarken, welche das Element ZEPPELIN enthalten, sei es in Alleinstellung, sei es in Kombination mit weiteren verbalen oder graphischen Elementen. Die Zeppelin AG wurde nun darauf aufmerksam, dass eine Konkurrentin im relevanten Produktesegment eine Marke Graf Zeppelin (fig.), d.h. mit zusätzlichen figurativen Elementen, für die Schweiz eintragen liess und möchte sich gegen diese Eintragung zur Wehr setzen.

2. Vorteile des Markenwiderspruchsverfahrens

Die Zeppelin AG kann bei einem zuständigen Zivilgericht auf Markenlöschung wegen relativer Ausschlussgründe (Art. 3 MSchG) klagen, allenfalls verbunden mit einem Unterlassungsbegehren hinsichtlich des effektiven Markengebrauchs (Art. 13 MSchG). Die Einreichung einer solchen Klage ist mit relativ hohen Kostenrisiken verbunden, zumal das Bundesgericht bereits bei nicht überdurchschnittlich bekannten Marken von einem Streitwert von CHF 50'000.00 bis CHF 100'000.00 ausgeht (BGE 133 III 490 E. 3.3 – Turbinenfuss [3D] mit Hinweisen) und die Klägerin basierend auf diesem (Mindest-)Streitwert vorschusspflichtig würde.

iusNet IGR 20.06.2018

 

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