Eine dreidimensionale Marke lediglich in Form ovaler Dosen ohne herausragende Elemente ist nicht markenschutzfähig
Eine dreidimensionale Marke lediglich in Form ovaler Dosen ohne herausragende Elemente ist nicht markenschutzfähig
Eine dreidimensionale Marke lediglich in Form ovaler Dosen ohne herausragende Elemente ist nicht markenschutzfähig
B-227/2018 v. 8.5.2019
I. Ausgangslage
Mit Gesuch vom 15. Juli 2016, 58538/2016 Ovale Dose (3D), beantragte die luxemburgische eos Products sàrl (nachfolgend Bf) beim IGE für Lippenbalsam der Klasse 3 die Eintragung einer dreidimensionalen Marke, die sich wie folgt präsentiert:
Mit Verfügung vom 22. November 2017 verweigerte das IGE den Eintrag dieses Zeichens, im Wesentlichen mit folgender Begründung: Weder die ovale Form noch die Einbuchtung auf einer Seite oder die Vertiefung am Boden liessen insbes. angesichts der gerade bei Lippenbalsam nennenswerten Formenvielfalt einen betrieblichen Hinweis erkennen, weshalb das Zeichen zum Gemeingut gehöre. Gegen diesen Entscheid erhob die Bf am 11. Januar 2018 Beschwerde beim BVGer.
Abweisung der Beschwerde
II. Erwägungen zum Thema Gemeingut
1. Grundsätzliches:
a) Die Schutzfähigkeit einer Marke beurteilt sich nach dem bei den massgebenden Verkehrskreisen in der Erinnerung der Marke verbleibenden Gesamteindruck. (E. 2.4 erster Teil)
b) Eine allfälliges Freihaltebedürfnis (Anmerkung der Redaktion: Freihaltebedürftigkeit als Element des Gemeingut-Begriffes gemäss Art. 2 Bst. a MSchG) ist aus Sicht der aktuellen sowie potenziellen Konkurrenten des Markenanmelders zu beurteilen, soweit jene ein mindestens virtuelles Interesse daran haben, das Zeichen für entsprechende Produkte zu verwenden. (E. 2.4 zweiter Teil)
c) Für die Prüfung bezüglich Gemeingut ist entscheidend, ob der Konsument im fraglichen Zeichen (originär) einen Hinweis zur Identifikation des Produkteherstellers erblickt. (E. 2.1 zweiter Teil)
d) Zum Gemeingut zählen folgende Formen: (i) nicht unterscheidungskräftige bzw. triviale; (ii) unmittelbar sinngehaltlich beschreibende (z.B. zitronenförmige Behälter für Zitronensaft) sowie (iii) solche, die mangels Originalität im Gedächtnis der Abnehmer (vgl. dazu auch Bst. a hievor) nicht haften bleiben. (E. 2.1 erster Teil)
e) Für die Schutzfähigkeit von Waren- und Verpackungsformen gelten zwar grundsätzlich dieselben Kriterien wie diejenigen für andere Markenarten. Jedoch können in Verpackungsformen im Lichte der Wahrnehmung der Durchschnittskonsumenten i.d.R. keine herkunftsbezeichnenden Zeichen erblickt werden. Demnach kann eine Verpackungsform markenrechtlich nur dann als Herkunftshinweis verstanden werden, falls sie sich auffällig unterscheidet von sämtlichen im beanspruchten Produktesegment üblichen (Verpackungs-) Formen, die im Zeitpunkt der Markenprüfung bestehen. (E. 2.2 i.V.m. E. 2.3 sowie E. 5.2 Abs. 2 a.A.)
f) Für die Prüfung der Unterscheidungskraft bzw. ob eine Form vom Gewohnten und Erwarteten abweicht, ist – gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung – grundsätzlich auf das durch sie beanspruchte Warensegment abzustellen. Das BVGer hält jedoch dafür, dass je nach Natur der angemeldeten Marke sowie der beanspruchten Waren ein weiter gefasster Sektor zu berücksichtigen sei. (E. 5.2 Abs. 2)
g) Ausländische Webseiten können für die Frage des Gemeingutcharakters herangezogen werden, sofern sie durch die schweizerischen Verkehrskreise zur Kenntnis genommen werden. Diese Kenntnisnahme erscheint fraglich bei ausländischen Websites, auf denen Produkte ohne Hinweis auf eine Versandmöglichkeit in die Schweiz und allfällige Preisangaben nur in ausländischer Währung zu finden sind. (E. 5.3.1)
2. Subsumtion:
- Als massgebende Verkehrskreise gelten für den beanspruchten «Lippenbalsam» von Klasse 3 sowohl Endabnehmer als auch Fachkreise der Kosmetikbranche sowie Zwischenhändler. (E. 3 Abs. 2)
- Das Gericht stellt sich vorab die Frage, ob das strittige Zeichen trivial oder unmittelbar sinngehaltlich beschreibend ist. Dabei liegt nach seiner Auffassung weder ein Freihaltebedürfnis noch eine schutz-ausschliessende Wirkung des Zeichens wegen sinngehaltlich beschreibenden Charakters vor; denn abgesehen von der kreisrunden Bodenfläche weiche die angemeldete Verpackungsform in mehreren Aspekten von einer regelmässigen Rundform ab, sodass es weder gesamthaft noch in seinen Elementen als trivial bezeichnet werden könne. (E. 4 Abs. 5)
- Anschliessend prüft das Gericht, ob die Form des Zeichens vom Gewohnten und Erwarteten abweicht und deshalb unterscheidungskräftig ist. Dabei gelangt es zu folgenden Schlüssen:
Hinsichtlich der Frage nach den zu vergleichenden Produkten beschränkt sich das Gericht auf den Bereich «Lippenpflegeprodukte», insbes. weil andere Produkte des Bereichs «Gesichtspflege» oder «Make-Up» teilweise von völlig anderer Konsistenz und mit diesen auch nicht substituierbar seien. Dabei bestehe im Bereich der Lippenpflegeprodukte eine relativ grosse Formenvielfalt. Die muldenförmige Vertiefung im Zeichen wirke zwar ästhetisch, sei letztlich aber teilweise funktional bedingt. (E. 5.2 Abs. 3 insbes. i.V.m. E. 5.3.2 Abs. 4 und E. 5.3.3)
Hinsichtlich Unterscheidungskraft infolge des durch das Zeichen erweckten Gesamteindrucks verneint das Gericht die nötigen Voraussetzungen. Der überhohe Deckel entspreche vielen vergleichbaren Formen und die nur eine geringe Grösse aufweisende Mulde sei letztlich als funktional, mithin als wenig prägend zu qualifizieren. (E. 5.3.3 Abs. 2 a.E. sowie E. 5.3.4 Abs. 2)