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«SWISS RE – WE MAKE THE WORLD MORE RESILIENT» ist eintragungsfähig

«SWISS RE – WE MAKE THE WORLD MORE RESILIENT» ist eintragungsfähig

Jurisprudence
Markenrecht

«SWISS RE – WE MAKE THE WORLD MORE RESILIENT» ist eintragungsfähig

4A_361/2020 v. 8.3.2021

I. Ausgangslage (zusammengefasst / teilweise mit wörtlichem Zitat)

Mit Gesuch vom 19. April 2017 beantragte die Swiss Re Ltd., Zürich (nachfolgend auch Bf), beim IGE die Eintragung des Zeichens Nr. 54931/2017 «SWISS RE – WE MAKE THE WORLD RESILIENT» für «Geldgeschäfte; Immobilienwesen; Finanzwesen; Versicherungswesen» der Klasse 36. Diesem Antrag gab das IGE nicht statt, weshalb die Swiss Re beim BVGer Beschwerde erhob. Mit Urteil vom 25. Mai 2020 (B-5011/2018) widerrief das BVGer die Verweigerung der Markeneintragung unter Aufforderung an das IGE, das Zeichen «SWISS RE – WE MAKE THE WORLD MORE RESILIENT» mit dem Vermerk «SWISS RE: teilweise durchgesetzte Marke» für Geldgeschäfte, Immobilienwesen Finanzwesen; Versicherungswesen» in Klasse 36 ohne Einschränkung der genannten Dienstleistungen auf Schweizer Herkunft einzutragen. Gegen dieses Urteil erhob das IGE Beschwerde in Zivilsachen beim BGer.

Abweisung der Beschwerde

II. Erwägungen zum Thema der Irreführung bzw. von Herkunftsangaben (Auszug / teilweise mit wörtlichem Zitat)

1. Grundsätzliches:

a) Gemäss Art. 2 lit. c MSchG sind irreführende Zeichen nicht eintragungsfähig. (E. 2)

b) Als irreführend gelten u.a. Zeichen, welche – aufgrund von geografischen Elementen oder gar als Zeichen an sich – dazu führen, dass die Adressaten zur fälschlichen Annahme gelangen, die betroffenen Produkte stammten aus dem Land oder dem Ort, auf den die Angabe hinweist. (E. 2.1)

c) Gemäss Art. 47 Abs. 1 MSchG gelten als Herkunftsangaben: direkte oder indirekte Hinweise auf die geografische Herkunft von Produkten. Dazu gehören auch Hinweise auf die Beschaffenheit von Produkten oder auf Eigenschaften, welche mit der Herkunft zusammenhängen. (E. 2.2 Abs. 1)

d) Nicht als Herkunftsangaben gelten im vorliegenden Zusammenhang: Geografische Namen und Zeichen, welche durch die massgebenden Verkehrskreise nicht als Hinweis auf eine bestimmte Herkunft von Produkten verstanden werden. Dazu gehören insbes. geografische Angaben, (i) welche den relevanten Kreisen nicht bekannt sind, (ii) die erkennbar Fantasiecharakter aufweisen; (iii) die offensichtlich nicht als Produktions-, Fabrikations- oder Handelsort in Frage kommen, (iv) die als Typen- oder Gattungsbezeichnung erkannt werden oder (v) die sich im Verkehr als Kennzeichen für ein bestimmtes Unternehmen durchgesetzt haben. (E. 2.2 Abs. 2)

e) Demgegenüber spricht der Umstand, dass eine Herkunftsangabe auch in zutreffender Weise benutzt werden kann, nicht gegen eine Täuschungsgefahr i.S. von Art. 2 lit. c MSchG. Mit andern Worten: Bei Zeichen mit geografischem Hinweischarakter ist der Markenschutz bereits ausgeschlossen, wenn es eine abstrakte Täuschungsgefahr schafft in dem Sinne, als es in Bezug auf die beanspruchten Produkte geeignet ist, die Abnehmer in die Irre zu führen. (E. 2.3 Abs. 2)

f) Bei der Prüfung einer Täuschungsgefahr im Rahmen von Eintragungsverfahren sind auch absehbare künftige Entwicklungen, wonach eine Herkunftsangabe z.B. aufgrund veränderter Umstände irreführend wirken kann, zu berücksichtigen. (E. 2.4)

g) Im Bereich von Art. 2 lit. c MSchG ist die Praxis, dass in Zweifelsfällen ein Zeichen durch das IGE einzutragen ist, während es dem Zivilrichter überlassen bleibt, eine endgültige Entscheidung zu treffen, nicht anwendbar. (E. 2.3 Abs. 1)

2. Subsumtion:

  • In seiner bisherigen Rechtsprechung mit Bezug auf beanspruchte Waren hat das BGer die Praxis des IGE geschützt, wonach Marken mit geografischen Angaben nur mit dem Zusatz eintragen werden, dass die beanspruchten Waren aus dem Land stammen, auf welches die Herkunftsangabe hinweist. (E. 5.1)
  • Im Anschluss an mit der Swissness-Vorlage verbundene Änderungen im Rahmen von Art. 52o MSchV im Zusammenhang mit Art. 49 Abs. 1 lit. b MSchG betr. Bestimmung der Herkunft von Dienstleistungen erfolgte eine Bekanntmachung des IGE, der bisher für Warenmarken verlangte Hinweis, die Produkte stammten aus dem Land auf welches sich die Herkunftsangabe bezieht, werde auf Dienstleistungen ausgeweitet. (E. 6 sinngemäss i.V.m. Lemma 1 hievor)
  • Die oben gezeigte Praxis des IGE ist zu absolut formuliert: Besteht von vornherein keine Täuschungsgefahr, gibt es keinen Anlass für eine Einschränkung des Waren- oder Dienstleistungsverzeichnisses. Die unterschiedliche Behandlung zwischen der Beanspruchung einerseits von Waren und anderseits von Dienstleistungen ist Folge der konzeptionell unterschiedlicher Herkunftsdefinitionen mit entsprechenden Konsequenzen wie folgt:
  • Für Waren gilt eine produktbezogene Umschreibung (Art. 48 ff. MSchG: Ort der Gewinnung etc.), und weil das IGE diesbezüglich im Eintragungszeitpunkt darüber naturgemäss keine Kenntnis hat, ist es gerechtfertigt, eine abstrakte Irreführungsgefahr dadurch zu verhindern, dass die Warenliste auf Produkte schweizerischer Herkunft beschränkt wird.
  • Demgegenüber ist die Herkunft von Dienstleistungen unternehmensbezogen definiert, d.h. sie liegt dort, wo das leistende Unternehmen seinen Sitz hat und tätig ist (Art. 49 Abs. 1 MSchG) mit der Folge, dass sich die Irreführungsgefahr im Zeitpunkt der Eintragung konkret beurteilen lässt. (E. 7.1 Abs. 2 a.A. i.V.m. E. 7.2.1 Abs. 1)
  • Im vorliegenden Fall ist eine Täuschungsgefahr von vornherein zu verneinen; denn selbst unter der Annahme, das Zeichen «SWISS RE – WE MAKE THE WORLD MORE RESILIENT» enthalte einen Hinweis auf eine schweizerische Herkunft bleibt zu beachten, dass sich der Geschäftssitz der Swiss Re sowie ein Ort ihrer tatsächlichen Verwaltung in der Schweiz befinden. Die von ihr angebotenen Dienstleistungen stammen somit markenrechtlich aus der Schweiz bzw. selbst bei einer Qualifikation als Herkunftshinweis ist derselbe nach der Definition in Art. 49 Abs. 1 MSchG zutreffend, damit im Sinne von Art. 2 lit. c sowie Art. 47 Abs. 3 MSchG zulässig und deshalb im Markenregister einzutragen. (E. 7.1 Abs.2 zweiter Teil)
  • Das Risiko einer künftigen Abtretung oder Lizenzierung Marke an eine die Voraussetzungen von Art. 49 MSchG nicht erfüllende Person, ist – wie die Vorinstanz richtig festhielt – im vorliegenden Zusammenhang unbeachtlich. Dies angesichts des Umstandes, dass eine Marke ohnehin nicht in unzutreffender Weise gebraucht werden darf (vgl. Art. 47 Abs. 3 Bst. a und c MSchG sowie Art. 64 MSchG) sowie der Tatsache, dass das IGE gar nicht zuständig wäre, auf den Gebrauch einer einmal eingetragenen Marke einzuwirken. (E. 7.2.1 Abs. 2)
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