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«SWISS RE – WE MAKE THE WORLD MORE RESILIENT» ist aufgrund der Swissness-Regeln eintragungsfähig

«SWISS RE – WE MAKE THE WORLD MORE RESILIENT» ist aufgrund der Swissness-Regeln eintragungsfähig

Jurisprudence
Markenrecht

«SWISS RE – WE MAKE THE WORLD MORE RESILIENT» ist aufgrund der Swissness-Regeln eintragungsfähig

B-5011/2018 v. 25.5.2020

I. Ausgangslage

Mit Gesuch vom 19. April 2017 beantragte die Swiss Re Ltd., Zürich (nachfolgend auch Bf), beim IGE die Eintragung des Zeichens Nr. 54931/2017 «SWISS RE – WE MAKE THE WORLD RESILIENT» für «Geldgeschäfte; Immobilienwesen; Finanzwesen; Versicherungswesen» der Klasse 36. Mit Verfügung vom 29. Juni 2018 wies das IGE die Anmeldung für alle beanspruchten Dienstleistungen zurück. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, das fragliche Zeichen sei als Herkunftsangabe i.S. von Art. 47 Abs. 1 MSchG zu qualifizieren, weshalb es nur mit dem Vermerk «alle vorgenannten Dienstleistungen schweizerischer Herkunft» schutzfähig wäre. Gegen diesen Entscheid erhob die Swiss Re Ltd am 31. August 2018 Beschwerde beim BVGer. 

Gutheissung der Beschwerde

II. Erwägungen zum Thema der Irreführung bzw. von Herkunftsangaben

1. Grundsätzliches:

a) Gemäss Art. 2 Bst. c MSchG sind irreführende Zeichen – als absolut vom Markenschutz ausgeschlossen – nicht eintragungsfähig. Dies gilt u.a. für geografische Angaben, welche objektiv geeignet sind, die Markenadressaten zur Annahme einer unzutreffenden Warenherkunft zu verleiten. (E. 3.1)

b) Gemäss Art. 47 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 MSchG sind Herkunftsangaben: «direkte oder indirekte Hinweise auf die geographische Herkunft von Waren oder Dienstleistungen, einschliesslich Hinweisen auf die Beschaffenheit oder auf Eigenschaften, die mit der Herkunft zusammenhängen» (Hervorhebungen durch die Redaktion), sofern die massgebenden Verkehrskreise diese Angaben als Hinweis auf eine bestimmte Herkunft der fraglichen Produkte verstehen, die in Wirklichkeit nicht zutrifft, d.h. insbes. wenn mit dem Zeichen versehene Waren nicht dort hergestellt werden. (E. 3.2 Abs. 1 i.V.m. E. 3.5 a.E.)

c) Unmittelbare Herkunftsangaben liegen vor, wenn die Herkunftserwartung insbes. durch die Nennung der Namen von Städten, Ortschaften, Tälern, Regionen und Ländern geweckt wird. Bei lediglich mittelbaren Herkunftsangaben fehlt die Nennung des Herkunftsortes von Produkten, wobei jedoch der Sinngehalt des Zeichens eine Herkunftserwartung zur Folge hat. (E. 3.2 Abs. 2)

d) Eine (schädliche) Herkunftserwartung ist zu verneinen, wenn (i) die inländischen massgebenden Verkehrskreise die geografische Angabe nicht kennen; (ii) diese Kreise die Marke aufgrund ihrer Symbolkraft als Fantasiezeichen verstehen; (iii) der bezeichnete Ort nicht als Produktions-, Fabrikations- oder Handelsort in Frage kommt; (iv) das Zeichen als Gattungs- bzw. Typenbezeichnung verstanden wird; (v) das Zeichen sich im Verkehr als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen durchgesetzt hat oder beispielsweise (vi) wenn die geografgische Angabe offensichtlich eine schweizerische Zweigniederlassung bezeichnet bzw. wenn der Sinngehalt eines geografischen Zeichenelements im Zusammenhang mit andern Zeichenbestandteilen von der Produkteherkunft verschoben wird zu einem Hinweis auf betriebliche Verhältnisse des Markeninhabers oder auf bestimmte Personen im Zusammenhang mit der Präsentation der Produkte. (E. 3.3 Abs. 2 i.V.m. Rz. 3.4)

e) Die Prüfung einer geografischen Bezeichnung ist aufgrund aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Dabei sind insbes. zu berücksichtigen: (i) einerseits die Bekanntheit der geografischen Angabe als solche und anderseits die Bekanntheit der Angabe als Marke; (ii) tatsächliche oder naheliegende Beziehungen zwischen der geografischen Angabe und zusätzlichen Zeichenelementen, welche die Täuschungsgefahr erhöhen oder beseitigen. (E. 3.5)

f) Bei zusammengesetzten Marken erfolgt die Prüfung – aus dem Blickwinkel der massgebenden Verkehrskreise bzw. von deren allfälligen Herkunftserwartung – aufgrund folgender drei Schritte: 1) Wirkung der einzelnen Zeichenelemente bezüglich eines geografischen Sinngehalts / 2) Wirkung der einzelnen Zeichenelemente als Herkunftsangabe mit Bezug auf die beanspruchten Produkte / 3) Falls die Frage 2 zu bejahen ist: Wirkung des gesamten Zeichens bezüglich (schädlicher) Herkunftserwartung mit Bezug auf die betroffenen Produkte. (E. 3.6 Abs. 1 sinngemäss)

g) Auch fremdsprachliche Ausdrücke sind zu berücksichtigen, sofern sie Teil der Fremdsprachekenntnisse der massgebenden Verkehrskreise sind. Somit sind auch englisch-sprachige Begriffe relevant, wenn sie für einen nicht unerheblichen Teil der Schweizer Bevölkerung verständlich sind. (E. 3.6 Abs. 2)

h) Die massgebenden Verkehrskreise (vgl. c) bestimmen sich aufgrund der gemäss Registereintrag beanspruchten Produkte. Dabei ist im Bereich des Irreführungsschutzes das am meisten gefährdete Segment entscheidend. (E. 4 Abs. 1)

2. Subsumtion:

  • Als massgebende Verkehrskreise bezeichnet (auch) das Gericht sowohl Fachkreise als auch ein breites, einschlägig interessiertes Publikum. (E. 4 Abs. 2 und 3)
  • Zur Frage der Zeichenähnlichkeit hält das Gericht insbes. Folgendes fest:
    • Das Zeichenelement «Swiss» ist gemäss Rechtsprechung des BVGer geeignet, als geografische Angabe die Herkunft der fraglichen Dienstleistungen aus der Schweiz zu bezeichnen. (E. 5.2 Abs. 2)
    • Es darf als bekannt vorausgesetzt werden, dass das Zeichenelement «Re» insbes. im Zusammenhang mit dem englischen Präfix «re» als Hinweis auf ein Rückversicherungsunternehmen verstanden wird. (E. 5.3 erster Teil)
    • Die Kombination «Swiss Re» wird daher durch die massgebenden Verkehrkreise als «Schweizerische Rückversicherung» interpretiert. (E. 5.3 a.E.)
    • Die weiteren – als anpreisend wirkenden – Zeichenelemente treten im Vergleich zu «Swiss Re» in den Hintergrund. (E. 5.5)
    • Gesamthaft betrachtet wird das Zeichen durch die massgebenden Verkehrskreise als «Schweizerische Rückversicherung – wir machen die Welt widerstandsfähiger» verstanden, wobei das Element «Swiss» - als bekannte geografische Angabe – geeignet ist, die Herkunft der beanspruchten Dienstleistungen zu bezeichnen. (E. 5.6)
  • Zur Frage, ob die Herkunftsangabe im Zeichen irreführend wirkt, wird durch das Gericht folgendermassen argumentiert: vgl. Ziff. III hienach

III. Erwägungen zum Thema «Swissness»

1. Grundsätzliches:

a) Gemäss Art. 49 Abs. 1 MSchG in der aktuellen Fassung ab 1. Januar 2017 (Stichwort Swissness-Reform) gelten für die Bestimmung der Herkunft von Dienstleistungen nur noch folgende zwei Kriterien: (i) Geschäftssitz der Person, welche die Dienstleistung erbringt und (ii) ein Ort der tatsächlichen Verwaltung dieser Person im Land der Dienstleistungserbringung. Dabei ist der Ort der tatsächlichen Verwaltung gemäss Art. 52o MSchVO dort zu vermuten, an welchem (i) für die Erreichung des Geschäftszweckes massgebende Tätigkeiten ausgeübt werden sowie (ii) für diese Tätigkeiten massgebende Entscheide getroffen werden. (E. 6.2 Abs. 2)

b) Seit Inkrafttreten der Swissness-Reform hat das IGE auch für Dienstleistungsmarken das Dienstleistungsverzeichnis vorsorglich auf den im Zeichen allenfalls enthaltenen Herkunftsort eingeschränkt (Stichwort: Disclaimer). Dies gemäss der Argumentation des IGE im vorliegenden Verfahren mit der Begründung, die Überprüfung der kumulativen Voraussetzungen in Art. 49 Abs. 1 MSchG sei im Markeneintragungsverfahren – weil zu aufwendig – nicht zumutbar, weshalb für einen Ausschluss jeder Irreführungsgefahr nach wie vor ein Disclaimer nötig sei. (E. 6.4 Abs. 1 i.V.m. E. 6.1 Abs. 2)

2. Subsumtion:

  • Die bisherige Praxis des IGE zur Anwendung von Art. 49 Abs. 1 MSchG seit Januar 2017 ist nicht haltbar, wie der vorliegende Fall zeigt; denn der Prüfungsaufwand ist nicht grösser als unter altem Recht, und im Vergleich zu Warenmarken ist eine Ungleichbehandlung der Dienstleistungen deshalb gerechtfertigt, weil diese in einem weniger engen Zusammenhang zu den örtlichen Verhältnissen stehen als Waren. (E. 6.4 Abs. 2)
  • Wie bis anhin hat das IGE die Glaubhaftmachung des Hinterlegers einer Dienstleistungsmarke zu prüfen, ob eine geografgische Angabe die Kriterien von Art. 49 Abs. 1 MSchG erfüllt. Dabei kann es (nur) im Zweifelsfall – insbes. für ausländische Herkunftsangaben – eine Einschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses vornehmen. Ob eine ausreichende tatsächliche Verwaltungstätigkeit (vgl. dazu Ziff. 1/a hievor) gegeben ist, ist im Streitfall durch das Gericht zu entscheiden. (E. 6.4 Abs. 3)
  • Die Bf erfüllt im vorliegenden Fall die Voraussetzungen nach Art. 49 Abs. 1 MSchG (vgl. Ziff. 1/a hievor) offensichtlich, was auch das IGE nicht bestreitet. Deshalb ist aufgrund der Einhaltung der Swissness-Regeln eine relevante Irreführungsgefahr (vgl. dazu Ziff. II hievor) auszuschliessen. 

IV. Fazit

Das Gericht widerlegt die bisherige Praxis des IGE, auch bei Anwendung des heutigen Art. 49 Abs. 1 MSchG eine vorgängige Einschränkung der beanspruchten Dienstleistungen auf den angegebenen Ort im Sinne eines Disclaimers anzuwenden. Die Kriterien gemäss Art. 49 Abs. 1 MSchG sind strikte zu beachten. Dies führt zur Gutheissung der vorliegenden Beschwerde, weil die Swissness-Kriterien offensichtlich eingehalten werden (ohne dass das Gericht dies näher ausführt).

iusNet IP 21.06.2020