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Die internationale Widerspruchsmarke «PROSEGUR» setzt sich gegen Nichtgebrauchseinreden teilweise durch

Die internationale Widerspruchsmarke «PROSEGUR» setzt sich gegen Nichtgebrauchseinreden teilweise durch

Jurisprudence
Markenrecht

Die internationale Widerspruchsmarke «PROSEGUR» setzt sich gegen Nichtgebrauchseinreden teilweise durch

B-6253/2016 v. 14.7.2021

I. Ausgangslage (zusammengefasst)

Die schweizerische Prosegur SA ist Inhaberin der am 9. September 2014 im Swissreg publizierten Schweizer Marke Nr. 663'250 «Prosegur Società di vigilanza (fig.)»:

mit Beanspruchung von Produkten der Klassen 9, 35, 37, 39, 41 und 45. Gleichzeitig wurde für die Genannte das Zeichen Nr. 663'236 «PROSEGUR» für dieselben Produkte publiziert. Mit Datum vom 8. Dezember 2014 erhob die spanische PROSEGUR COMPANIA DE SEGURIDAD S.A. unter Berufung auf ihr Zeichen IR 605'490 «PROSEGUR» unter Bezugnahme auf Produkte der Klassen 9, 39 und 42 Widerspruch gegen die beiden obgenannten Marken. Mit zwei Entscheiden vom 8. September 2016 wies das IGE die beiden Widersprüche ab. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, im Zusammenhang mit der durch ihre Gegnerin erhobenen Nichtgebrauchseinrede hätten die durch die Widersprechende beigebrachten Belege für die Glaubhaftmachung eines markenrechtlichen Gebrauchs ihres Zeichens nicht ausgereicht. Mit Beschwerden vom 11. Oktober 2016 trug die PROSEGUR COMPANIA DE SEGURIDAD S.A. (nachfolgend Beschwerdeführerin bzw. Bf) die beiden Fälle vor das BVGer.

Teilweise Gutheissung der Beschwerden mit teilweiser Rückweisung an die Vorinstanz

II. Erwägungen unter dem Aspekt der Anwendbarkeit von Art. 5 des Übereinkommens zwischen der Schweiz und Deutschland betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz vom 13. April 1892 (Auszug)

1. Grundsätzliches:

a) Gemäss Art. 11 Abs. 1 MSchG muss ein Zeichen im Zusammenhang mit seinen beanspruchten Produkten gebraucht werden so wie es eingetragen ist oder in einer davon nicht wesentlich abweichenden Form. (E. 4 erster Teil)

b) Der Zeichengebrauch muss ernsthaft sein und sich grundsätzlich auf das Gebiet der Schweiz beziehen (Stichwort: Territorialitätsprinzip). D.h. der Gebrauch muss (i) entweder in einem direkten Bezug stehen zu den tatsächlich in der Schweiz gelieferten oder erworbenen Produkten oder es muss (ii) eine speziell für die Schweiz konzipierte, mehr oder weniger regelmässig und gezielt eingesetzte Werbung vorliegen. (E. 4 zweiter Teil i.V.m. E. 6.1 Abs. 1)

c) Das Territorialitätsprinzip unterliegt zwei Ausnahmen: Einerseits dem Export und anderseits dem Art. 5 des Übereinkommens zwischen der Schweiz und Deutschland betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz vom 13. April 1892 (SR 0.232.149.136 / nachfolgend «Übereinkommen CH/D» genannt). (E. 6.1 Abs. 2)

d) Die Berufung auf Art. 5 des Übereinkommens CH/D bzw. die dort geregelte Voraussetzung des Markengebrauchs bleibt in persönlicher Hinsicht – unter Berücksichtigung der jeweiligen staatlichen diesbezüglichen Regelungen – vorbehalten (i) für Personen mit deutscher oder schweizerischer Nationalität oder (ii) für Personen weiterer Nationalitäten mit Ansässigkeit oder Niederlassung – unter Einschluss von Zweigniederlassungen – in Deutschland oder der Schweiz. Für juristische Personen ist dabei eine reelle und nicht nur scheinbare Niederlassung oder Zweigniederlassung vorausgesetzt. (E. 6.3.1 i.V.m. E. 7.2.1)

e) Im Zusammenhang mit einer Markeneintragung verlangt das Übereinkommen CH/D weiter, dass das betroffene Widerspruchszeichen in beiden Ländern – zumindest in seinen wesentlichen Elementen – registriert ist. (E. 6.4.1 – 6.4.2.2 i.V.m. E. 6.4.4)

f) Eine Europäische Unionsmarke erfüllt – zumindest für Widerspruchsverfahren und dies obschon die deutschen Behörden keine Kontrolle über Europäische Unionsmarken ausüben – die markenrechtlichen Voraussetzungen gemäss deutschem Recht (vgl. Bst. d hievor zur Berücksichtigung der innerstaatlichen Regelungen). Analoges gilt für internationale Marken mit Anerkennung in Deutschland. (E. 7.2.2 i.V.m. E. 7.6)

g) Die Schweiz anerkennt Europäische Unionsmarken ebenfalls unter gewissen Voraussetzungen, und unter diesem Gesichtspunkt liegt es um so näher, eine europäische Registrierung (auch) im Rahmen des Übereinkommens CH/D zu akzeptieren. Somit ist es grundsätzlich möglich, dass ein deutsches Unternehmen aufgrund seiner deutschen oder Europäischen Marke gegen ein schweizerisches Zeichen Widerspruch erhebt. (E. 7.3 i.V.m. E. 7.4 sowie insbes. E. 7.7 Abs. 3)

h) Wer sein Zeichen nicht in der Schweiz gebraucht, aber dennoch gegen die Eintragung einer Schweizer Marke Widerspruch einlegen will, muss demzufolge unter dem Aspekt der Voraussetzung der doppelten Eintragung gemäss Übereinkommen C (vgl. dazu Bst. e – g hievor) – neben einem schweizerischen Zeichen – ausserhalb der Schweiz alternativ über eines der folgenden Zeichen verfügen: eine deutsche Marke, eine internationale Marke mit Beanspruchung von Deutschland oder eine Europäische Unionsmarke. (E. 7.8 erster Teil)

i) Zusammenfassend (vgl. Bst. c – h hievor) ist mit Bezug auf Europäische Unionsmarken somit im Rahmen des Übereinkommens CH/D Folgendes festzuhalten: Zum Widerspruch gegen die Eintragung eines schweizerischen Zeichens befugt ist, wer kumulativ (i) eine Niederlassung in Deutschland oder der Schweiz aufweist, (ii) Inhaber einer Europäischen Unionsmarke ist, (iii) seine Unionsmarke innerhalb von Deutschland ernsthaft gebraucht und (iv) seine Widerspruchsmarke zumindest in ihren wesentlichen Elementen auch in der Schweiz eintragen liess. (E. 7.8 zweiter Teil sinngemäss i.V.m. Bst. e hievor)

j) Der Begriff eines (ernsthaften) Markengebrauchs in Deutschland im Lichte der Anwendung des Übereinkommens CH/D orientiert sich an den Kriterien gemäss schweizerischem Recht. (E. 8 i.V.m. E. 8.1)

2. Subsumtion:

 Zur Frage der Anwendbarkeit des Übereinkommens CH/D mit Bezug auf die Bf gelangt das Gericht zum Schluss, die entsprechenden Voraussetzungen seien erfüllt:

  • Die Bf verfügte im Zeitpunkt der Nichtgebrauchseinrede in Deutschland zumindest über eine Niederlassung. (E. 6.3.2 Abs. 2)
  • Die internationale Registrierung Nr. 605'490 «PROSEGUR» wurde im Jahr 2013 für die Schweiz um 10 Jahre verlängert und ist mithin hier eingetragen. (E. 7 Abs. 1)
  • Die Bf ist Inhaberin der europäischen Unionsmarken Nr. 008764227 «PROSEGUR» betr. begleitete Werttransporte der Klasse 39 sowie Nr. 004807038 «PROSEGUR (fig.)» betr. Sicherheitsdienstleistungen für Personen sowie Vermögenwerte der Klasse 45. (E. 7.1)

Im Lichte der erwähnten Zeichen ist es der Bf möglich, sich sowohl auf die Identität oder zumindest hohe Gleichartigkeit ihrer in der Schweiz geschützten Marke Nr. 605'490 im Vergleich zu ihren genannten Unionsmarken als auch auf den Gebrauch Letzterer in Deutschland zu berufen. (E. 7.9 i.V.m. E 7.10)

III. Erwägungen unter dem Aspekt der Nichtgebrauchseinreden (Auszug)

1. Grundsätzliches:

a) Gemäss Art. 11 Abs. 1 MSchG muss ein Zeichen im Zusammenhang mit seinen beanspruchten Produkten gebraucht werden so wie es eingetragen ist oder in einer davon nicht wesentlich abweichenden Form. (E. 4 erster Teil)

b) Der Zeichengebrauch muss ernsthaft sein und sich grundsätzlich (vgl. bezüglich Ausnahmen Ziff. II/1/c hievor) auf das Gebiet der Schweiz beziehen (Stichwort: Territorialitätsprinzip). D.h. der Gebrauch muss (i) entweder in einem direkten Bezug stehen zu den tatsächlich in der Schweiz gelieferten oder erworbenen Produkten oder es muss (ii) eine speziell für die Schweiz konzipierte, mehr oder weniger regelmässig und gezielt eingesetzte Werbung vorliegen. (E. 4 a.E. i.V.m. E. 6.1 Abs. 1)

c) Im Falle einer Nichtgebrauchseinrede hat der Widersprechende seinen Zeichengebrauch nicht strikt nachzuweisen; vielmehr genügt gemäss Art. 32 MSchG eine entsprechende Glaubhaftmachung. Als Kriterien dazu können – unter Bezugnahme auf die verlangte Periode des Gebrauchs – dienen: Im Zusammenhang mit der verlangten Gebrauchsperiode stehende Rechnungen, Lieferscheine etc. oder Dokumente wie Etiketten, Muster, Verpackungen, Kataloge, Prospekte usw. (E. 8.3)

d) Ein Markengebrauch durch Dritte wird dem Markeninhaber angerechnet, wenn dieser Gebrauch mit seinem Einverständnis erfolgte. (E. 8.4)

e) Der Zeichengebrauch muss die durch die Widerspruchsmarke beanspruchten Produkte betreffen. Ein Erscheinen der Marke auf der betroffenen Ware oder deren Verpackung ist nicht verlangt; denn ihre Individualisierungsfunktion kann auch durch eine Präsenz in Prospekten, Preislisten oder auf Rechnungen erfüllt sein. (E. 8.5.1)

f) Eine Zeichenverwendung als Enseigne, mithin als Hinweis auf das Unternehmen und nicht dessen Produkte, ist grundsätzlich nicht ausreichend. Im Bereich von Dienstleistungen ist diesbezüglich jedoch zu berücksichtigen, dass es kaum möglich ist, zwischen dem Hinweis auf das betroffene Unternehmen und dem eigentlichen Markengebrauch zu unterscheiden. Deshalb muss in diesem Zusammenhang eine Zeichenverwendung auf Geschäftsbriefen einschliesslich Rechnungen, auf Fahrzeugen oder Geschäftslokalitäten mit Bezugnahme auf den Hauptsitz des Unternehmens oder auf die im Publikum bekannten entsprechenden Dienstleistungen genügen. (E. 8.5.2 i.V.m. E. 8.5.3)

g) Ein Gebrauch mit Bezug auf eines der in einem Oberbegriff genannten Produkte gilt als ausreichend für den gesamten Oberbegriff, sofern das betroffene Produkt für diese Kategorie typisch ist und der betroffene Oberbegriff keine wesentlich davon abweichenden Unterkategorien aufweist. (E. 8.5.4)

h) Grundsätzlich muss das betroffene Zeichen gemäss seinem Registereintrag gebaucht werden. Vorbehalten bleiben jedoch angesichts der Dynamik des Marktes gewisse Anpassungen des Zeichens, wobei allerdings keine wesentlichen Abweichungen vom Register akzeptiert werden können. (E. 8.6)

i) Die verlangte Ernsthaftigkeit des Markengebrauchs (vgl. Bst. b hievor) setzt aufgrund objektiver Kriterien (vgl. dazu Bst. j hienach) voraus, dass der Zeicheninhaber willens ist, im Rahmen eines nicht übertriebenen Optimismus sämtliche Nachfrage des Marktes zu befriedigen, indem er u.a. den Markt bewirbt und im Umfeld seiner Konkurrenten eine minimale Aktivität während einer grundsätzlich längeren Periode (vgl. dazu Bst. j hienach) ausübt mit dem Ziel, sich Marktanteile zu erwerben oder zu erhalten. Dabei genügt eine verkaufende Tätigkeit. (E. 8.7.1 i.V.m. E. 8.7.2 erster Satz)

j) Als Kriterien für die Ernsthaftigkeit dienen im Lichte der betroffenen Waren oder Dienstleistungen und im Rahmen einer Gesamtbetrachtung: der betroffene Unternehmenstyp, übliche Geschäftsumsätze, die geografische Ausdehnung, die Natur sowie Dauer der Verwendung. (E. 8.7.2 erster Teil)

k) Eine allenfalls nur kurze Dauer des betroffenen Marktgebrauchs kann kompensiert werden durch die Exklusivität der betroffenen Produkte, während übliche Konsumgüter eine längere Dauer bzw. einen regelmässigen Einsatz voraussetzen. (E. 8.7.2 zweiter Teil)

2. Subsumtion:

  • Im vorliegenden Fall reichte die Bf im Zusammenhang mit der durch sie geltend gemachten Widerspruchmarke Nr. 605'490 (zulässigerweise) noch im laufenden Beschwerdeverfahren eine gewisse Anzahl an beweiskräftigen Dokumenten ein, in welchen das Widerspruchszeichen «PROSEGUR» (zusammen mit einer symbolisierten Weltkugel) erkennbar ist. Dazu gehören – mit Bezug auf den zu prüfenden Zeitraum vom 22. Juni 2010 bis 22. Juni 2015 – insbes. Rechnungen über einen mit dem Markeneintrag des Widerspruchszeichens konformen Gebrauch in Deutschland. (E. 9.1 i.V.m. E. 9.2 und 9.3 Abs. 1 samt Gegenüberstellung von Marke und ihrem Erscheinen auf den Dokumenten in Abs. 2)
  • Entgegen der Auffassung der Vorinstanz erfolgte die – im Einverständnis mit der Bf durch eine deutsche Niederlassung durchgeführte – Verwendung der Widerspruchsmarke auf den fraglichen Dokumenten nicht in einer Art, welche dem Publikum aufgrund phonetischer oder visueller Unterschiede vorspielte, es handle sich um zwei unterschiedliche Zeichen. (E. 9.3. Abs. 3 i.V.m. E. 9.7)
  • Es liegt auch ein zu berücksichtigender Zeichengebrauch von «PROSEGUR» vor: Zwar verweisen die Verwendungen des Zeichens vorab auf das dahinter stehende Unternehmen; jedoch bezieht sich die Marke auch auf die in Rede stehenden Dienstleistungen, nämlich «Private Wach- und Sicherheitsdienste», welche zu den Hauptaktivitäten der Widersprechenden gehören und für welche sie im Publikum bekannt ist. (E. 9.4)
  • Der fragliche Gebrauch der Widerspruchsmarke durch die Bf erfolgte gemäss den eingereichten Rechnungen (u.a.) mit Bezug auf «Geld- und Werttransport» und damit selbstredend Transporte mit gepanzerten Fahrzeugen, mithin im Zusammenhang mit den in Klasse 39 beanspruchten Dienstleistungen. (E. 9.5 – 9.5.2)
  • Schliesslich ist der in Rede stehende Gebrauch auch als ernsthaft zu qualifizieren; denn die zu berücksichtigenden Rechnungen beliefen sich auf rund EUR 250'000. (E. 9.6)

IV. Fazit:

Bezüglich der durch die Widerspruchsmarke IR 605'490 beanspruchten Produkte der Klasse 39 («Services de transport de valeurs en fourgons blindés») heisst das BVGer die vorliegenden Beschwerden insofern gut, als das fragliche Zeichen in Deutschland in diesem Umfang und während des relevanten Zeitraums in glaubwürdiger Weise ernsthaft gebraucht worden sei. Weil das IGE sich jedoch nicht (auch) zum Thema der Verwechslungsgefahr zwischen den betroffenen Zeichen geäussert habe, seien die Widersprüche 13983 und 13984 diesbezüglich an die Vorinstanz zurückzuweisen. (E. 9.8 i.V.m. E. 10 Abs. 1 – 3)

Zudem erfolgte eine Rückweisung an die Vorinstanz (i) mit Bezug auf die Frage nach einem ernsthaften Zeichengebrauch bezüglich der Produkte der Klassen 9 und 42 sowie (ii) mit Bezug auf die Frage, ob die Dienstleistungen der Klasse 39 lediglich eine Unterkategorie der Klasse 42 darstellen mit der Folge, dass der Gebrauch der Dienstleistungen der Klasse 42 – als unter denselben Oberbegriff fallend – ebenso ohne weiteres als ernsthaft erfolgt zu qualifizieren wäre. (E. 10 Abs. 4)

iusNet IP 23.08.2021