Das Zeichen «Toblerone» wird durch das Schokoladeprodukt «Swissone» nicht gefährdet oder im Ruf geschädigt
Das Zeichen «Toblerone» wird durch das Schokoladeprodukt «Swissone» nicht gefährdet oder im Ruf geschädigt
Das Zeichen «Toblerone» wird durch das Schokoladeprodukt «Swissone» nicht gefährdet oder im Ruf geschädigt
HG 20 87 v. 31.12.2020
I. Ausgangslage (zusammengefasst / teilweise mit wörtlichem Zitat)
Die Kraft Foods Schweiz Holding GmbH ist Inhaberin der am 2. Oktober 1995 hinterlegten Schweizer Formmarke Nr. 2P-432512 bezüglich «Chocolat, produits de chocolat, cacao, confiserie, pâtisserie, glaces comestibles», die sich wie folgt präsentiert:
Demgegenüber verwendet die schweizerische Cocoa Luxury SA für ein Schokoladeprodukt folgende Gestaltung:
Mit Gesuch vom 18. August 2020 beantragte die Kraft Foods Schweiz Holding GmbH (nachfolgend auch Gesuchstellerin) eine vorsorgliche Massnahme gegen die Cocoa Luxury SA (nachfolgend auch Gesuchsgegnerin) mit dem Inhalt, Letzterer sei zu verbieten, Schokolade bzw. Schokoladeriegel gemäss oben stehender Abbildung selbst oder über Dritte in der Schweiz herzustellen, zu diesem Zwecke zu lagern, in Verkehr zu bringen, anzubieten, zu verkaufen, zu bewerben oder sie in bzw. durch die Schweiz ein-, aus- oder durchzuführen. Zur Begründung brachte die Gesuchstellerin hauptsächlich vor, in markenrechtlicher Hinsicht sei ihr Zeichen durch die Gesuchsgegnerin infolge Verwechslungsgefahr verletzt. Gleichzeitig bestehe auch eine lauterkeitsrechtliche Verwechslungsgefahr sowie eine Rufausbeutung nach Art. 3 Abs. 1 Bst. e UWG. Bezüglich Markenrecht erhob die Gesuchsgegnerin die Einrede des Nichtgebrauchs.
Abweisung des Gesuchs um Erlass einer vorsorglichen Massnahme
II. Ausführungen unter dem Aspekt der Einrede des Nichtgebrauchs (Auszug / teilweise mit wörtlichem Zitat)
1. Grundsätzliches:
a) Gemäss Art. 12 Abs. 1 MSchG erlischt der markenrechtliche Schutz bei Nichtgebrauch des Zeichens im Sinne dieser Bestimmung, sofern keine wichtigen Gründe für diesen Nichtgebrauch vorliegen. (E. 12.2.1 sinngemäss)
b) Gemäss Art.11 Abs. 2 MSchG gilt als relevanter Markengebrauch auch die Verwendung des Zeichens in einer von der Eintragung nicht wesentlich abweichenden Form. Als nicht wesentlich abweichend gilt der Gebrauch, wenn der kennzeichnende Kern der Marke unverändert benutzt wird bzw. wenn der Verkehr das Zeichen trotz der Abweichungen mit dem eingetragenen gleichsetzt, in ihm also dieselbe Marke erblickt was voraussetzt, dass den Abweichungen keine eigene kennzeichnende Bedeutung beigemessen wird. (E. 12.2.1 i.V.m. E. 12.2.4 erster Teil)
2. Subsumption:
Die Einrede des Nichtgebrauchs ist nicht stichhaltig: Die kennzeichnenden Merkmale der betroffenen Marke entsprechen deren Eintrag im Markenregister, da – wenn überhaupt – kaum wahrnehmbare Abweichungen in der Form des Zeichens auszumachen sind. Es bestehen keine Zweifel, dass die massgebenden Verkehrskreise das tatsächlich benutzte Zeichen mit der eingetragenen Formmarke gleichsetzen. (E. 12.2.4 zweiter Teil)
III. Ausführungen unter dem Aspekt der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr (Auszug / teilweise mit wörtlichem Zitat)
1. Grundsätzliches:
a) Gemäss Art. 3 Abs. 1 Bst. c MSchG i.V.m. Art. 13 Abs. 2 MSchG kann der Inhaber einer älteren Marke verbieten, Zeichen zu verwenden, welche (i) seiner Marke ähnlich sind (Stichwort: Zeichenähnlichkeit) und (ii) für gleiche oder gleichartige Produkte bestimmt sind (Stichwort: Produkteähnlichkeit), sodass sich daraus auf Seite der massgebenden Verkehrskreise eine Verwechslungsgefahr ergibt. Dabei wird die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit (iii) durch die Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens bzw. dessen Schutzumfang beeinflusst. (E. 12.3 i.V.m. 12.5. sinngemäss sowie E. 12.6 a.E.)
b) Bei Warenidentität müssen sich die zu vergleichenden Zeichen in besonderem Masse voneinander unterscheiden; dies erst recht, wenn es sich um Waren des täglichen Gebrauchs handelt, da sie ohne besondere Aufmerksamkeit gekauft werden. (E. 12.6 Mitte)
c) Bei Warenformen ist die Kennzeichnungskraft (vgl. dazu Bst. a/iii hievor) abhängig von den schutzfähigen Zeichenelementen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Abweichungen weniger leicht übersehen werden als bei Bildmarken. (E. 12.6 Mitte sowie a.E.)
d) Im Rahmen der Zeichenähnlichkeit bezüglich Formmarken (vgl. dazu Bst. a/i hievor) zählt der Gesamteindruck aufgrund der – ausserhalb der Fragen technischer Funktionalität oder der Natur der betroffenen Ware liegenden – kennzeichnungskräftigen Gestaltungselemente. Dabei ist Zeichenähnlichkeit i.d.R. zu verneinen, wenn ein prägendes Merkmal klar anders gestaltet ist. (E. 12.7)
e) Zeichen des Gemeingutes sind grundsätzlich nicht schutzfähig. Vorbehalten bleibt der Fall, dass eine Kombination von Elementen des Gemeingutes gesamthaft zu einem unterscheidungskräftigen Gesamteindruck der Marke führen. (E. 12.7.2 zweiter Teil sinngemäss)
f) Neben der unmittelbaren und der mittelbaren Verwechslungsgefahr ist – jedenfalls in markenrechtlicher Hinsicht – auch eine sog. assoziative Verwechslungsgefahr anerkannt. Diese Variante liegt vor, wenn eine Botschaft im Sinne von «Ersatz für» oder «gleich gut wie» so stark wirkt, dass die entsprechende Anlehnung an die Kennzeichnungs- und Werbekraft einer geschützten Marke deren Unterscheidungsfunktion so weit stört, dass die Konsumenten die Produkte der Marke für austauschbar halten bzw. bei der Suche nach dem geschätzten Markenprodukt nicht mehr darauf achten, ob sie Waren der einen oder anderen Marke einkaufen. (E. 12.9.3)
2. Subsumption:
- Vorliegend ist von einer starken (Form-) Marke der Gesuchstellerin bzw. von einem starken Schutzumfang auszugehen: Zwar sind die Zacken der älteren Marke für sich dem Gemeingut zuzuschreiben. Das Zeichen erhält jedoch Kennzeichnungskraft dank (i) der Aneinanderreihung der Zacken, die sich von anderen Schokoladenformen unterscheidet, (ii) der riegelartigen Form, (iii) Unterteilung in Einheiten; dies noch gesteigert durch die Verwendung der Toblerone-Schokoladenriegel seit über 111 Jahren, deren intensive Bewerbung, die hohen Umsatzzahlen und damit verbunden eine ausserordentliche Bekanntheit bei den Konsumenten. (E. 12.7.2 – 12.7.5 i.V.m. E. 12.7.7)
- Die Zeichenähnlichkeit mit dem Swissone-Schokoladeriegel ist trotz des starken Schutzumfangs der Marke der Gesuchstellerin zu verneinen. Dies u.a. deshalb, weil der umstrittene Riegel die Zacken der Toblerone nicht übernimmt und das Produkt der Gesuchsgegnerin insgesamt einen weichen, runden, gedrungenen und eher flachen Eindruck erweckt, im Gegensatz zur kantig und gradlinigen, eher einfachen Erscheinung der Toblerone mit einer Anspielung auf Berg und Tal. Ähnlichkeiten im Gesamteindruck entstehen höchstens aufgrund der nicht kennzeichnungskräftigen Elemente der riegelartigen Form sowie Unterteilung in Einheiten. (E. 12.8.1 – 12.8.2)
- Auch eine Verwechslungsgefahr ist nicht gegeben: Selbst unter dem Aspekt einer assoziativen Verwechslungsgefahr führt der unterschiedliche Gesamteindruck des Swissone-Schokoladeriegels nicht dazu, dass die Botschaft von «Ersatz für» oder «gleich gut wie» vermittelt wird. (E. 12.9.3 Abs. 1 a.E. i.V.m. E. 12.11)
IV. Ausführungen unter dem Aspekt der lauterkeitsrechtlichen Verwechslungsgefahr (Auszug / teilweise mit wörtlichem Zitat)
1. Grundsätzliches:
a) Gemäss Art. 3 Abs. 1 Bst. d UWG, d.h. dem lauterkeits- bzw. wettbewerbsrechtlichen Kennzeichenschutz gelten als unlauter sämtliche Verhaltensweisen, welche durch die Schaffung von Verwechslungsgefahr eine Irreführung des Publikums bewirken, insbes. um den Ruf von Konkurrenten auszubeuten (vgl. zu Letzterem Ziff. V hienach). (E. 13.1 i.V.m. E. 13.2)
b) Eine solche Verwechslungsgefahr kann unmittelbar (das Produkt eines Konkurrenten wird für dasjenige eines anderen gehalten) oder mittelbar sein (die Produkte werden zwar unterschieden, jedoch unter der Annahme, dass sie aus zumindest eng verbundenen Betrieben stammen). (E. 13.2 a.E. sinngemäss)
c) Für die Beurteilung einer Verwechslungsgefahr ist auch die Kennzeichnungskraft eines zu vergleichenden älteren Produkts massgebend. Dabei stellt sich die Frage, ob die Ausstattung eines Produkts als Ganzes, d.h. aufgrund aller Gestaltungselemente wie ein Zeichen schutzfähig und mit der Gestaltung des Produktes eines Konkurrenten verwechselbar ist. (E. 13.6.3 zweiter Teil sinngemäss)
d) Beim Vergleich zwischen identischen Warengattungen ist die Verwechslungsgefahr besonders rasch gegeben. Gleichzeitig ist bei Massenartikeln des täglichen Bedarfs eine solche Gefahr besonders relevant, weil diese Produkte mit geringerer Aufmerksamkeit und einem reduzierten Unterscheidungsvermögen der Konsumenten erworben werden. (E. 13.3 sinngemäss)
e) Für die Beurteilung der lauterkeitsrechtlichen Verwechslungsgefahr ist auf den Zeitpunkt des konkreten Warenkaufs abzustellen. Als Kriterium dient dabei die Präsentation und damit gegebenenfalls auch die Aufbewahrung der Produkte. (E. 13.4 i.V.m. E. 13.5 erster Satz)
2. Subsumption:
- Die zu vergleichenden Produkte werden in verpacktem Zustand angeboten, jedoch normalerweise unter Belassung der Verpackung von Karton und Folie konsumiert. Entsprechend ist für die Frage einer Verwechslungsgefahr auch die Kartonverpackung relevant. (E. 13.5)
- Aufgrund eines detaillierten Vergleichs der Verpackungen qualifiziert das Gericht eine Verwechslungsgefahr als kaum glaubhaft. (E. 13.6.1 – 13.6.2 i.V.m. E. 13.6.3 erster Teil)
- Der Vergleich zwischen den Farben und Formen der Verpackungen der zu vergleichenden Produkte zeigt relevante Unterschiede auf. (E. 13.6.4 – 13.6.5 sowie E. 13.6.7)
- Da die Schweizer Bevölkerung sich die Schokoladenprodukte in erster Linie aufgrund des Namens des Herstellers merkt, werden die fraglichen Namen durch das Gericht besonders eingehend geprüft. Dabei gelangt es auch unter diesem Aspekt zu einer Verneinung der Verwechslungsgefahr: Der Gesamteindruck der Verpackungen ist in grafischer Hinsicht ganz anders und in klanglicher Hinsicht wirkt «Swissone» im Unterschied zu «Toblerone» als englischsprachig geprägt; auch liegt ein unterschiedliches Silbenmass vor, wobei die Anfänge «Swiss» im Vergleich zu «Tobler» keine Gemeinsamkeiten aufweisen. (E. 13.6.6 – 13.8)
V. Ausführungen unter dem Aspekt der Rufausbeutung (Auszug / teilweise mit wörtlichem Zitat)
1. Grundsätzliches:
a) Gemäss bundesgerichtlicher Praxis erfasst Art. 3 Abs. 1 Bst. e UWG auch die sog. Rufausbeutung. Eine solche liegt vor, wenn zwar keine Verwechslungsgefahr vorliegt, jemand mit seinem Werbeauftritt jedoch durch Gedankenassoziationen den guten Ruf von unter einem anderen Zeichen bekannten Waren auf seine eigenen überträgt. Sein Verhalten ist also objektiv geeignet, bei den Adressaten eine gedankliche Verbindung zu einem Drittzeichen bzw. zu den damit bezeichneten Produkten zu schaffen; dies z.B. durch die Botschaft «Ersatz für» oder «gleich gut wie». (E. 14.2)
b) Gemäss bundesgerichtlicher Praxis gilt die assoziative Verwechslungsgefahr (vgl. dazu Ziff. III/1 Bst. f hievor) als Teil des Tatbestandes der Rufausbeutung. (E. 12.9.3 Abs. 2)
2. Subsumption:
- Es bestehen sachliche Gründe für die Übereinstimmungen zwischen den fraglichen Verpackungen. Dies insbes. aufgrund folgender Kriterien: Die goldene Farbe soll den Eindruck von Wertigkeit und Qualität vermitteln; Gleiches gilt für die Bezugnahme auf die Schweiz, welche bei in der Schweiz produzierten Schokoladeprodukten ohnehin gebräuchlich ist; Schokolade wird oftmals in ähnlichen Verpackungsgrössen, nämlich zu 100g angeboten und die Endung «one» ist in Verbindung mit «swiss» nicht als Anlehnung an «Toblerone» zu verstehen. (E. 14.3 und E. 14.3.1)
- Die Verpackung der Gesuchsgegnerin ist somit objektiv nicht geignet, mittels Gedankenassoziationen den guten Ruf der Toblerone auf Swissone zu übertragen. (E. 14.3.3)
- Auch die Formen des Inhalts der Verpackungen können keine Rufschädigungen bewirken; denn die Swissone-Schokolade weist eine eigenständig gewählte Form mit relevanten Unterscheidungsmerkmalen auf. (E. 14.4)
VI. Fazit:
Das Gericht weist den gestützt auf «Toblerone» gestellten Antrag der Kraft Foods Schweiz Holding GmbH um Erlass vorsorglicher Massnahmen gegen «Swissone» in allen Punkten ab.