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Die Widerspruchsmarke «RITZ» setzt sich mangels notorischer Bekanntheit in der Schweiz gegen «RITZCOFFIER» nicht durch

Die Widerspruchsmarke «RITZ» setzt sich mangels notorischer Bekanntheit in der Schweiz gegen «RITZCOFFIER» nicht durch

Jurisprudence
Markenrecht

Die Widerspruchsmarke «RITZ» setzt sich mangels notorischer Bekanntheit in der Schweiz gegen «RITZCOFFIER» nicht durch

B-5177/2017 v. 19.11.2019

I. Ausgangslage

Am 22. Juni 2015 wurde die durch die Bürgenstock Hotels Management und Lizenz AG beantragte Marke «RITZCOFFIER» betr. diverse Waren und Dienstleistungen der Klassen 8, 9, 16, 21, 29, 30, 32, 41 sowie 43 im Swissreg publiziert. Gegen dieses Zeichen erhob die Ritz Hotel Limited Widerspruch. Bezüglich des hier besprochenen Falles ging es dabei darum, dass die Ritz Hotel Limited sich auf die notorische Bekanntheit ihrer Marke «RITZ» berief. Das IGE wies den Widerspruch diesbezüglich am 3. August 2017 ab, im Wesentlichen mit der Begründung, die Widersprechende habe nicht nachgewiesen, dass ihr Zeichen in der Schweiz intensiv benützt würde oder eine erhebliche Publizität genösse und ebensowenig, dass die schweizerischen Verkehrskreise Kenntnis von einem intensiven Gebrauch dieser Marke im Ausland hätten. Gegen diesen Entscheid erhob die Ritz Hotel Limited (nachfolgend Bf) am 13. September 2017 Beschwerde beim BVGer.

Abweisung der Beschwerde

II.     Erwägungen unter dem Aspekt der notorischen Bekanntheit

1. Grundsätzliches:

a) Gemäss Art. 5 MSchG entsteht das Markenrecht mit der Eintragung im Register. In Abweichung von diesem Grundsatz kann auch bereits bestehende sog. notorisch bekannte Marke Markenschutz beanspruchen. (E. 2.1. i.V.m. E. 2.2) 

b) Ein Widerspruch gestützt auf Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 31 MSchG kann gemäss Art. 3 Abs. 2 Bst. b MSchG auch zu Gunsten einer Marke eingelegt werden, die i.S. von Art. 6bis der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 1831 zum Schutz des gewerblichen Eigentums in der Schweiz – im Zeitpunkt der Eintragung der jüngeren Marke – bereits notorisch bekannt und deshalb als ältere Marke zu qualifizieren ist. (E. 2.2)

c) Art. 3 Abs. 2 Bst. b MSchG ist restriktiv anzuwenden und setzt voraus, dass die notorisch bekannte Widerspruchsmarke im Ausland einen Markenschutz geniesst. Dieser Schutz kann auch auf einem blossen Markengebrauch beruhen, sofern dazu sowohl die entsprechende ausländische Praxis als auch der tatsächliche Gebrauch ausreichend nachgewiesen werden. (E. 2.3 i.V.m. E. 2.4)

d) Die notorische Bekanntheit mit Wirkung in der Schweiz setzt voraus, dass das Widerspruchszeichen (als ältere Marke) in der Schweiz bei den massgebenden Verkehrskreisen als Marke mit Bezug auf die betroffenen Produkte – beispielsweise aufgrund von Katalogen, Preislisten oder Rechnungen – konkret und dauerhaft bekannt ist bzw. sich in diesen Kreisen durchgesetzt hat. Dabei ist zwar nicht verlangt, dass die Marke auch tatsächlich in der Schweiz als solche aktiv gebraucht wird; allerdings ist die notorische Bekanntheit aus Gründen der Praktikabilität grundsätzlich eher zu verneinen, wenn die Marke in der Schweiz weder beworben noch benützt wird. (E. 2.5 i.V.m. E. 2.6.1, 2.6.2 sowie 2.7.1)

e) Werden sowohl Konsumenten als auch Spezialisten durch eine Marke als massgebende Verkehrskreise angesprochen, ist es ausreichend, wenn sie für den einen oder den andern Kreis notorisch bekannt ist. (E. 2.8.2)

f) Als Indiz für die verlangte Massgeblichkeit der betroffenen Verkehrskreise hinsichtlich der Notorietät gilt gemäss bundesgerichtlicher Praxis, wenn mehr als 50 Prozent dieser angesprochenen Kreise die betroffene Marke kennen. (E. 2.8.3)

g) Der Nachweis einer notorischen Bekanntheit kann gemäss BGer optimal durch ein (korrekt erstelltes) demoskopisches Gutachten erbracht werden; gleichzeitig sind jedoch auch die klassischen Kriterien des betroffenen Geschäftsvolumens sowie der mittels der Marke erzielten Publizität zu berücksichtigen. (E. 2.9.1)

h) Gemäss Art. 151 ZPO bedürfen u.a. gerichtsnotorische Tatsachen keines Beweises. Zu diesen Tatsachen zählt auch die notorische Bekanntheit nach Art. 3 Abs. 2 Bst. b MSchG. (E. 2.9.2 i.V.m. E. 2.9.3)

2. Subsumtion:

  • Die Bf hat weder ein demoskopisches Gutachten beigebracht, und die gelieferten Belege zeigen nur auf, dass ein Luxushotel mit den Namen «Ritz» in Paris besteht. (E. 4.3)
  • Als Voraussetzung für das Vorliegen einer notorischen Bekanntheit müsste feststehen («soit certain»), dass die Widerspruchsmarke im Zeitpunkt der Eintragung des angefochtenen Zeichens bei mindestens 50 Prozent zumindest eines der angesprochenen Verkehrskreise – d.h. vorliegend entweder dem breiten Publikum oder bei Spezialisten (Reiseagenturen Reise-Transportunternehmen oder Internetseiten betr. Verkauf oder der Reservation) mit Bezug auf Hotellerie-Dienstleistungen notorisch bekannt war. (E. 4.4)
  • Um die verlangte Notorietät aufgrund von Art. 151 ZPO bejahen zu können, müsste dieselbe für das Gericht ohne weiteres bzw. ohne Zutun der Bf offensichtlich gegeben sein. Dies würde voraussetzen, dass die fragliche Marke aufgrund ihrer Verallgemeinerung im Markt oder der Verankerung im Publikum aufgrund ihrer Popularität («généralisation dans le commerce ou leur imprégnation dans la culture populaire») unbestreitbar als notorisch bekannt zu erkennen ist. (E. 4.5.1 Abs. 2)
  • Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass die Namen «Ritz» oder «Escoffier» in Restaurationskreisen bezüglich Produkten der Gastronomie notorisch bekannt sind. Art. 3 Abs. 2 Bst. b MSchG ist jedoch restriktiv auszulegen (vgl. dazu Ziff. 1 Bst. c hievor), und die Anerkennung einer Marke als notorisch bekannt, nur weil das Zeichen im Rahmen der Verkaufskreise der betroffenen Branche «notorisch» bekannt ist, hätte als Konsequenz, dass zahlreiche Marken den Grundsatz der Entstehung des Markenschutzes per Registereintragung (vgl. dazu Ziff. I Bst. a hievor) umgehen könnten. (E. 4.5.2)

III. Fazit 

Die Beschwerde wird abgewiesen, zum einen, weil die Bf nicht glaubhaft machte, dass ihre Marke im Zeitpunkt der Eintragung der angefochtenen Marke in der Schweiz eine notorische Bekanntheit genoss. Insbesondere aber beruht das Urteil auf dem Argument, dass eine Anerkennung des fraglichen Zeichens als notorisch bekannt zu einer Aushebelung des Grundsatzes der Priorität gemäss Markeneintrag führen würde.

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